GedichtGedichte

Das Gedicht „An den Mond“ stammt aus der Feder von Johann Wolfgang von Goethe.

Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh- und trüber Zeit
Wandle zwischen Freud und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluss!
Nimmer werd ich froh,
So verrauschte Scherz und Kuss,
Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergisst!

Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu,

Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst,
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewusst
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

Siehe auch das berühmte Gedicht Dem aufgehenden Vollmonde von Goethe.

Analyse

Das Gedicht "An den Mond" (1778; Epoche des Sturm und Drang) besteht aus 9 Strophen mit je 4 Versen.
Das Versmaß besteht aus wechselnden vier- und dreihebige Trochäen im Kreuzreimschema mit männliche Kadenzen. Das Reimschema ist [abab].

Inhalt / Zusammenfassung

Das lyrische Ich wurde von Freunden enttäuscht und zieht sich in die Natur zurück in der es sich geschützt & geborgen fühlt. Es trauert um die alten Zeiten und die alten Freundschaften.
Es kontempliert über den Zwiespalt zwischen der Trauer über die Vergangenheit und der Freude, die es jetzt in der Einsamkeit spürt und verfällt anschließend in eine Phase der Frustration.

Hintergrund

Der Mond umkreist die Erde in einem durchschnittlichen Abstand von ca. 380.000 km innerhalb von 27,3 Tagen und geht im Osten auf und im Westen unter (wie auch die Sonne und die Fixsterne). Er ist mit einem Durchmesser von knapp 3.500 km (Erde: 12.700 km) der fünftgrößte Mond des Sonnensystems.
Von der Erde aus ist nur eine Seite des Mondes sichtbar, da sich der Mond mit der gleichen Geschwindigkeit um seine Achse dreht, mit der er die Erde umkreist.

Seit prähistorischen Zeiten haben die Menschen die Phasen des Mondes, seine Zu- und Abnahme, beobachtet und zur Zeitmessung genutzt.
Diese lunare Zeitmessung führte zu den historisch vorherrschenden Kalendern. Der islamische Kalender aus dem 7. Jahrhundert ist ein Beispiel für einen reinen Mondkalender, bei dem die Monate traditionell durch die Sichtung des Hilal, der ersten Mondsichel, über dem Horizont bestimmt werden.
Von besonderer Bedeutung ist das Ereignis des Vollmonds (z.B. Tag-und-Nacht-Gleiche im Herbst; Erntemond), das in einer Reihe von Kalendern und Kulturen hervorgehoben und gefeiert wird. Siehe auch das Gedicht Mondnacht von Eichendorff.


Goethe zeigte seit seiner Jugend reges Interesse an den astronomischen Erkenntnissen seiner Zeit. Es befanden sich 3 Teleskope in seinem Weimarer Haus - darunter eine von Wilhelm Herschel modifizierte Version des Spiegelteleskops von Newton. Seinem Sohn Carl August schrieb er im August 1820 die folgenden Worte:

„…so muss ich doch gestehen, dass ich meinen langen Abenden und Nächten gar sehr wieder die Erscheinung eines geistig-leuchtenden Gestirns wünsche. Der Mond hat mich diesmal, mit allen seinen Phasen bis zuletzt, gar sehr unterhalten, da er immer noch als der späte Freund hinter den Bergrücken hervortritt;
Jupiter mit seinen Trabanten begrüß ich nächtlich, mit meinem Fernrohr, die Plejaden glaube ich niemals schöner gesehen zu haben. Ich denke, durch den Kometensucher [ein lichtstarkes Teleskop mit geringer Vergrößerung] müssten sie sich ganz unschätzbar zeigen. So kommt alles auf die Umstände an, die freie Aussicht auf den Morgenhimmel ist zu solchen Nacht-Beschauungen höchst anlockend“.

Varianten

In Anthologien abgedruckt wird v.a. die obige Version von 1789, die vermutlich nach der Rückkehr von der Italienreise entstand. Die frühe Fassung des Gedichts (mit nur 6 Strophen), aus der Zeit um 1776/78, fand sich zwischen Briefen an Charlotte von Stein.

Füllest wieder ´s liebe Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie der Liebsten Auge, mild
Über mein Geschick.

Das du so beweglich kennst,
Dieses Herz im Brand,
Haltet ihr wie ein Gespenst
An den Fluss gebannt,

Wenn in öder Winternacht
Er vom Tode schwillt
Und bei Frühlingslebens Pracht
An den Knospen quillt.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschließt,
Einen Mann am Busen hält
Und mit dem genießt,

Was, den Menschen unbewusst,
Oder wohl veracht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

Und es existiert noch ein weiteres, in Form & Inhalt grundlegend unterschiedliches, Gedicht mit dem Titel "An den Mond":

Schwester von dem ersten Licht,
Bild der Zärtlichkeit in Trauer!
Nebel schwimmt mit Silberschauer
Um dein reizendes Gesicht;
Deines leisen Fußes Lauf
Weckt aus tagverschlossnen Höhlen
Traurig abgeschiedne Seelen,
Mich und nächt'ge Vögel auf.

Forschend übersieht dein Blick
Eine groß gemessne Weite.
Hebe mich an deine Seite!
Gib der Schwärmerei dies Glück;
Und in wollustvoller Ruh
Säh der weitverschlagne Ritter
Durch das gläserne Gegitter
Seines Mädchens Nächten zu.

Dämmrung, wo die Wollust thront,
Schwimmt um ihre runden Glieder.
Trunken sinkt mein Blick hernieder.
Was verhüllt man wohl dem Mond?
Doch was das für Wünsche sind!
Voll Begierde zu genießen,
So da droben hängen müssen;
Ei, da schieltest du dich blind.

Der Text des Gedichts steht auch als mustergültig gestaltetes PDF An den Mond zum Drucken bereit.

Siehe auch: An Den Mond (Grillparzer), An den Mond (Gleim), An den Mond (Saar) sowie An den Mond (Albrecht).

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