GedichtGedichte

Das Gedicht „Kirschblüte bei der Nacht“ stammt aus der Feder von Barthold Heinrich Brockes.

Ich sahe mit betrachtendem Gemüte
jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte,
In kühler Nacht beim Mondenschein;
Ich glaubt′ , es könne nichts von größerer Weiße sein.
Es schien, ob wär ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der kleinste Ast
Trug gleichsam eine rechte Last
Von zierlich-weißen runden Ballen.
Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt,
Indem daselbst des Mondes sanftes Licht
Selbst durch die zarten Blätter bricht,
Sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat.
Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden
Was Weißers ausgefunden werden.

Indem ich nun bald hin, bald her
Im Schatten dieses Baumes gehe,
Sah ich von ungefähr
Durch alle Blumen in die Höhe
Und ward noch einen weißern Schein,
Der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar,
Fast halb darob erstaunt, gewahr.
Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein
Bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht
Von einem hellen Stern ein weißes Licht,
Das mir recht in die Seele strahlte.
Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergötze,
Dacht ich, hat Er dennoch weit größre Schätze.
Die größte Schönheit dieser Erden
Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.

Der Text des Gedichts steht auch als mustergültig gestaltetes PDF Kirschblüte bei der Nacht zum Drucken bereit.

Analyse

Das Naturgedicht "Kirschblüte bei der Nacht" (1727; Epoche: Aufklärung, Barock) besteht aus 2 Strophen mit 14 bzw. 15 Versen. Das Metrum besteht überwiegend Jamben. Zwei Ausnahmen bilden die ersten beiden Silben der Verse 17 und 27 mit Trochäen.

In dem Gedicht geht es um den Vergleich zwischen der irdischen und himmlischen Schönheit, wobei die irdische Schönheit der Natur an den Blüten eines Kirschbaums festgemacht wird.

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