GedichtGedichte

Das Gedicht „Der traurige Mönch“ stammt aus der Feder von Nikolaus Lenau.

Nach einer Sage

In Schweden steht ein grauer Turm,
Herbergend Eulen, Aare;
Gespielt mit Regen, Blitz und Sturm
Hat er neunhundert Jahre;
Was je von Menschen hauste drin,
Mit Lust und Leid, ist langst dahin.

Der Regen stromt, ein Reiter naht,
Er spornt dem Rob die Flanken;
Verloren hat er seinen Pfad
In Dammrung und Gedanken;
Es windet heulend sich im Wind
Der Wald, wie ein gepeitschtes Kind.

Verrufen ist der Turm im Land,
Dab nachts, bei hellem Lichte,
Ein Geist dort spukt in Mönchsgewand,
Mit traurigem Gesichte;
Und wer dem Mönch ins Aug gesehn,
Wird traurig und will sterben gehn.

Doch ohne Schreck und Grauen tritt
Ins Turmgewolb der Reiter,
Er fuhrt herein den Rappen mit
Und scherzt zum Roblein heiter:
“Gelt du, wir nehmens lieber auf
Mit Geistern als mit Wind und Trauf?”

Den Sattel und den nassen Zaum
Entschnallt er seinem Pferde,
Er breitet sich im oden Raum
Den Mantel auf die Erde
Und segnet noch den Aschenrest
Der Hande, die gebaut so fest.

Und wie er schlaft und wie er traumt
Zur mitternachtgen Stunde,
Weckt ihn sein Pferd, es schnaubt und baumt,
Hell ist die Turmesrunde,
Die Wand wie angezundet glimmt;
Der Mann sein Herz zusammennimmt.

Weit auf das Rob die Nustern reibt,
Es bleckt vor Angst die Zahne,
Der Rappe zitternd sieht den Geist
Und straubt empor die Mahne;
Nun schaut den Geist der Reiter auch
Und kreuzet sich nach altem Brauch.

Der Mönch hat sich vor ihn gestellt,
So klagend still, so schaurig,
Als weine stumm aus ihm die Welt,
So traurig, o wie traurig!
Der Wandrer schaut ihn unverwandt
Und wird von Mitleid ubermannt.

Der grobe und geheime Schmerz,
Der die Natur durchzittert,
Den ahnen mag ein blutend Herz,
Den die Verzweiflung wittert,
Doch nicht erreicht – der Schmerz erscheint
Im Aug des Mönchs, der Reiter weint.

Er ruft: “O sage, was dich krankt?
Was dich so tief beweget?”
Doch wie der Mönch das Antlitz senkt,
Die bleichen Lippen reget,
Das Ungeheure sagen will:
Ruft er entsetzt: “Sei still! sei still!” –

Der Mönch verschwand, der Morgen graut,
Der Wandrer zieht von hinnen;
Und furder spricht er keinen Laut,
Den Tod nur mub er sinnen;
Der Rappe ruhrt kein Futter an,
Um Rob und Reiter ists getan.

Und als die Sonn am Abend sinkt:
Die Herzen banger schlagen,
Der Mönch aus jedem Strauche winkt,
Und alle Blatter klagen,
Die ganze Luft ist wund und weh –
Der Rappe schlendert in den See.

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