GedichtGedichte

Das Gedicht „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“ (Erntelied) stammt aus der Feder von Unbekannt.

I.

Es ist ein Schnitter, heißt der Tod,
Hat Gewalt vom großen Gott;
Heut wetzt er das Messer,
es schneidt schon viel besser;
Bald wird er drein schneiden,
wir müssens nur leiden:
Hüt dich, schöns Blümelein!

Was heut noch frisch und grün dasteht,
wird morgen weggemäht:
Die edel Narzissel,
Die himmlischen Schlüssel,
Die schön Hyazinthen,
Die türkischen Binden:
Hüt dich, schöns Blümelein!

Viel hunderttausend Blümelein,
Was nur unter die Sichel fällt:
Rot Rosen, weiß Lilgen,
Beid wird er austilgen,
Und ihr, Kaiserkronen,
Man wird euch nicht schonen:
Hüt dich, schöns Blümelein!

Das himmelfarbne Ehrenpreis,
Tulipanen gelb und weiß,
Die silbernen Glocken,
Die goldenen Flocken,
Senkt alles zur Erden!
Was wird daraus werden?
Hüt dich, schöns Blümelein!

Trutz, Tod, komm her, ich furcht dich nit!
Trutz! Eil daher in einem Schritt!
Wann Sichel mich letzet,
So werd ich versetzet
In den himmlischen Garten,
darauf will ich warten!
Freu dich, schöns Blümelein!

Älteste Fassung mit dem Titel "Schnitterlied"; Verfasser unbekannt.

II.

Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Hat Gewalt vom höchsten Gott,
Heut wetzt er das Messer,
Es schneidt schon viel besser,
Bald wird er drein schneiden,
Wir müssens nur leiden.
Hüte dich schöns Blümelein!

Was heut noch grün und frisch da steht,
Wird morgen schon hinweggemäht:
Die edlen Narzissen,
Die Zierden der Wiesen,
Die schön' Hyazinthen,
Die türkischen Binden.
Hüte dich schöns Blümelein!

Viel hundert tausend ungezählt,
Was nur unter die Sichel fällt,
Ihr Rosen, ihr Lilien,
Euch wird er austilgen,
Auch die Kaiser-Kronen,
Wird er nicht verschonen.
Hüte dich schöns Blümelein!

Das himmelfarbe Ehrenpreis,
Die Tulipanen gelb und weiß,
Die silbernen Glocken,
Die goldenen Flocken,
Senkt alles zur Erden,
Was wird daraus werden?
Hüte dich schöns Blümelein!

Ihr hübsch Lavendel, Rosmarein,
Ihr vielfärbige Röselein.
Ihr stolze Schwertlilien,
Ihr krause Basilien,
Ihr zarte Violen,
Man wird euch bald holen.
Hüte dich schöns Blümelein!

Trotz! Tod, komm her, ich fürcht dich nicht,
Trotz, eil daher in einem Schnitt.
Werd ich nur verletzet,
So werd ich versetzet
In den himmlischen Garten,
Auf den alle wir warten.
Freu' dich du schöns Blümelein.

Variante mit dem Titel "Erntelied" aus: "Des Knaben Wunderhorn" (Clemens Brentano & Achim von Arnim), erschienen 1805-08

Anmerkung: Johann Wolfgang von Goethe bemerkte in seiner Rezension von "Des Knaben Wunderhorn" zu dem Lied: „Katholisches Kirchen-Todeslied. Verdiente protestantisch zu sein.“
In der gleichnamigen Verfilmung des Romans "Berlin Alexanderplatz" (1929; Alfred Döblin) von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1980 wird die erste Strophe des Liedes häufiger rezitiert.

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