GedichtGedichte

Das Gedicht „Ganymed“ stammt aus der Feder von Johann Wolfgang von Goethe.

Wie im Morgenglanze
Du rings mich anglühst,
Frühling, Geliebter!
Mit tausendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne!

Daß ich dich fassen möcht
In diesen Arm!
Ach, an deinem Busen
Lieg ich, schmachte,
Und deine Blumen, dein Gras
Drängen sich an mein Herz.
Du kühlst den brennenden
Durst meines Busens,
Lieblicher Morgenwind!
Ruft drein die Nachtigall
Liebend nach mir aus dem Nebeltal.

Ich komm, ich komme!
Wohin? Ach, wohin?

Hinauf! Hinauf strebts.
Es schweben die Wolken
Abwärts, die Wolken
Neigen sich der sehnenden Liebe.
Mir! Mir!
In euerm Schoße
Aufwärts!
Umfangend umfangen!
Aufwärts an deinen Busen,
Alliebender Vater!

Analyse

Die Hymne "Ganymed" (1774; Epoche des Sturm und Drang) hat 4 Strophen mit jeweils ungleicher Verszahl, den sogenannten freien Rhythmen. Insgesamt besteht das Gedicht aus 32 Versen. In Ganymed verwendet Goethe den dithyrambischen Stil, ohne sich dabei streng an Anforderungen zu halten. Es gibt kein festes Metrum und kein Reimschema.

Inhalt / Zusammenfassung

In dem Gedicht Ganymed stehen die Verbundenheit mit der Natur und das Streben zu Gott im Mittelpunkt. Hier kommt Ganymed als lyrisches Ich zu Wort. In der ersten und zweiten Strophe ist das lyrische Ich von der Schönheit der Natur zutiefst ergriffen. Seine Sehnsucht und Ergriffenheit wächst von Strophe zu Strophe und kulminiert in dem Wunsch einer Verschmelzung mit Gott.

In frühen Ausgaben der Gesammelten Werke erschien es in Band II von Goethes Gedichten in einem Abschnitt der Vermischten Gedichte, kurz nach dem "Gesang der Geister über den Wassern" und der "Harzreise Im Winter". Es folgt unmittelbar auf den "Prometheus", und die beiden Hymnen sind als ein Paar zu verstehen, von denen das eine das Gefühl der göttlichen Liebe und des Pantheismus, das andere den Misotheismus ausdrückt.

Beide gehören in die Zeit von 1770 bis 1775. Prometheus ist der schöpferische und rebellische Geist, der sich, von Zeus zurückgewiesen, ihm zornig widersetzt und sich durchsetzt; Ganymed ist das knabenhafte Ich, das von Zeus angebetet und verführt wird. Der eine ist der einsame Trotzige, der andere der nachgiebige Gefolgsmann.

Hintergrund

Die Figur Ganymed (altgriechisch Ganymḗdēs, deutsch ‚der Glanzfrohe‘) entstammt der griechischen Mythologie. Er ist ein Sohn des trojanischen Königs Tros und der Kallirrhoë, Bruder des Assarakos und des Ilo und galt als „Schönster aller Sterblichen“. Zeus war so angetan, dass er die Gestalt eines Adlers annahm und ihn zum Olymp entführte, wo er fortan als Mundschenk der Götter diente.

Astronomie: Ganymed (auch Jupiter III) ist der dritte und größte der vier Galileischen Monde des Gasplaneten Jupiter. Er ist mit einem Durchmesser von etwa 5200 km der größte Mond des Sonnensystems (zum Vergleich: der Erdmond hat einen Durchmesser von knapp 3500 km). Ebenso wie der Saturnmond Titan hat er einen größeren Durchmesser als der (allerdings massereichere) Planet Merkur.

Die Hymne wurde u.a. von Franz Schubert (D. 544, 1817), Carl Loewe (Op. 81, Nr. 5, für SATB, 1836-1837) und Hugo Wolf (1891) vertont.

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