GedichtGedichte

Das Gedicht „Juli“ stammt aus der Feder von Max Dauthendey.

Nun ist es Sommer den ganzen Tag
Den ganzen Tag man nur küssen mag,
Und alle die Rosen die müssen
Satt duften zu unseren Füßen.

Nun bleibt es Sommer den ganzen Tag,
Den ganzen Tag ich im Himmel lag,
Dort tat man sich paarweise küssen
Und satt lag die Erde zu Füßen.

Nun ist es Sommer Nacht und Tag,
Und Nacht und Tag man nur küssen mag;
Von allen heißen Genüssen
Ist Anfang und Ende das Küssen.

 

Die Ziegeldächer erhitzten sich rot,
Die Felder rochen warm nach Brot;
Die Schnitter fuhren ins heiße Feld,
Senkrecht stand die Sonne aufgestellt.

Die Hitze zeigte mir jedes Ding
Wie's an der guten Sonne hing.

Da nahm die Liebste meinen Arm
Und ihre Brust war anders warm,
Sie war nicht von der Sonne entfacht;
Sprach: "Liebster, ach, wäre es wieder Nacht!"

 

Als ich im Abend Dich traf
Ging Dein Schuh mondbeschienen
Unter Sternen wie Bienen.
Sterne wurden groß,
Ließen den Himmel los,
Fielen ins Feld wie Staub.
Wahrsagend mit wallendem Laub
Schauten die Bäume hinauf;
Ein Baum am Weg voll Schlaf
Fing fallende Sterne auf.
Als ich im Abend Dich traf
War's Korn warm wie mein Blut;
Gut wurde mir's um's Herz,
Sah vom Weg nicht mehr auf,
Ging mit den mondenen Stunden,
Und Garben lagen gebunden
Als läge das Glück zu Hauf.

 

Waldbäume singen gern einen Sang,
Nie werden dem Wald die Tage lang.
Die Bäume halten die Blätter hin,
Lassen kein Lied vorüberziehn.
Es singt des Baumes kühle Gestalt
Von Liebe die wie die Erdboden alt.
Und kommt ein Mensch ganz lebensmatt
Zum Wald, wird seine Zung ein Blatt;
Will mit den Bäumen die Seele tauschen,
Sein Atem will alle Wipfel berauschen;
Sein Blut will in den Stämmen summen,
Denn singend macht der Wald die Stummen.
Der Wald ist uralt ein Liederhaus,
Geh hin und singe Dein Herz bei ihm aus.

Quelle: Die ewige Hochzeit. Der brennende Kalender . 1. Auflage 1905

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