GedichtGedichte

Das Gedicht „An Goethe“ stammt aus der Feder von Theodor Körner.

… als ich den »Faust« gelesen hatte.

Fleug auf, mein Lied, fleug durch die Bahn der Sonnen,
Hinauf, hinauf durch aller Himmel Raum!
Die Erde sinkt, das Dunkel ist zerronnen;
Ich bade mich im Urquell aller Wonnen;
Der Wahn entflieht, zur Wahrheit wird der Traum.
Im Frühlingshauche fühl’ ich mich begeistert;
Mir flammt die Welt im nie gesehnen Brand.
Der Sänger, der den Sonnenlenker meistert,
Er reißt dem Gott die Zügel aus der Hand.

Es flammt die neue Leuchte durch die Ferne;
Er zündet sie mit ewig junger Glut
Und rast harmonisch durch das Reich der Sterne.
Starr bleibt der Gott, daß er die Bahn erlerne;
Denn nimmer taucht der Wagen in die Flut.
Der Sänger lenkt ihn durch des Äthers Freie;
Sein Ruf gebeut dem göttlichen Gespann;
Er strebt, gesalbt von seines Liedes Weihe,
Zum Urquell ew’ger Lebensglut hinan.

Du hast die Zeit, den Wolkendruck bezwungen;
Frei schwillt das hohe Herz in Sphärenpracht;
Durch aller Zonen Weite ist’s erklungen.
Es jauchzen dir harmonisch alle Zungen;
Das Tote ist zum Leben angefacht.
Was nie das junge Herz zu ahnen wagte,
Du sprichst es aus mit ungeheurer Kraft.
O, Heil der Sonne, die der Menschheit tagte,
Die sich die Welt zum Feuertempel schafft!

Des Lebens höchstes Streben klingt im Liede;
Die Töne rauschen fern im Adlerschwung;
Zur höchsten Pracht entfaltet sich die Blüte;
In Flammenglut verklärt, wie der Alcide,
Löst rosenrot der Tag die Dämmerung,
Und lieblich mit des zarten Frühlings Schwellen
Verjüngt sich die verödete Natur;
Gebadet in des Äthers heitern Wellen,
Tritt Faust hervor auf der verlöschten Spur.

Es neigen sich die Himmel, Sterne zittern;
Die Welt erkennt des Meisters hohe Hand.
Und wie im Sturm von tausend Ungewittern
Die Eichen stürzen, greise Fichten splittern,
Und das Gesetz sich löst im ew’gen Brand,
Die Sonne doch zuletzt mit stolzem Prangen
Die Wolken bricht im ew’gen Siegerlauf;
So rast das Lied, und will das All umfangen
Und löst den Blick in Wonnetränen auf.

Es lebt in melodienvoller Stille
Hoch über Sonnenreichen der Gesang.
Heil dir, Gewaltiger! Mit Jugendfülle
Zerreißt du kühn des Lebens finstre Hülle;
In goldner Luft wogt deiner Stimme Klang.
O selig, die des Liedes Nektar trinken!
Es trägt sie zu den Himmlischen hinauf.
Wenn einst die Welten, wenn die Sonnen sinken,
Blüht dein Gebild im ew’gen Frühling auf.

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