GedichtGedichte

Das Gedicht „Mondnacht“ stammt aus der Feder von Joseph von Eichendorff.

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Analyse

Das Gedicht "Mondnacht" (1837; Epoche der Romantik) besteht aus 3 Strophen mit jeweils 4 Versen im Kreuzreim. Es ist im alternierenden Versmaß mit Auftakt, 3 jambischen Hebungen und wechselnder Kadenz geschrieben, wobei jeweils der erste und dritte Vers auf eine klingende Kadenz enden, der zweite und vierte auf eine stumpfe. Es handelt sich damit um eine halbe Hildebrandsstrophe.

Inhalt

Das Gedicht beschreibt die Atmosphäre einer Nacht. Die erste Strophe beinhaltet eine abstrakte Metapher. Die zweite Strophe schildert die Umgebung. In der dritten Strophe spricht das lyrische Ich davon, "nach Hause zu fliegen".

Interpretation

Die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag veröffentlichte mit "Against Interpretation" (1966) einen einflussreichen Essay.
In dem Aufsatz geht es um Formen des öffentlichen, schriftlichen Ausdrucks von Interpretation, d.h. um die kulturelle Persistenz, Wiederholung, Obsession dieser Motive in Literatur und Kunst, um ihre Sinnhaftigkeit, ihre symbolische Bedeutung.

Der moderne Interpretationsstil, versucht im Vergleich zum früheren klassischen Interpretationsstil, die Kunst "in die Gegenwart zu bringen", um sie den zeitgenössischen Interessen anzupassen und allegorische Lesarten anzuwenden. Während diese Art der Interpretation den Konflikt zwischen Vergangenheit und Gegenwart auflösen sollte, indem sie das Kunstwerk ergänzt, vertritt der Essay die These, dass der moderne Interpretationsstil die Sensibilität verloren hat und vielmehr darauf abzielt, das Kunstwerk "auszugraben und zu zerstören".
In einer Zeit, in der es sich jeder leisten kann, seine Meinung häufig zu ändern und sie unter dem Schleier der Anonymität zu äußern, wird die Psychologie hinter solchen "Interpretationen" mit ergreifender Präzision beleuchtet:

"Interpretation ist nicht einfach ein Kompliment, das die Mittelmäßigkeit dem Genie macht. Es ist in der Tat eine moderne Art, etwas zu verstehen, und sie gilt für Werke jeder Qualität."

Der Aufsatz argumentiert, dass der moderne Interpretationsstil dem Kunstwerk nur schadet. So ist das Festhalten an der Hermeneutik ein Irrweg, komplexe "Lesarten" verzehren künstlerische Werke und die Analyse zerstört sie. Er behauptet, dass die Interpretation die Kunst bequem und handhabbar macht und damit die ursprüngliche Absicht des Künstlers entwertet.

Die Welt wird heutzutage als "Produktionsmaterial" abgewertet, in dem die Sinne durch Massenproduktion und komplexe Interpretation so abgestumpft und zerstört sind, dass die Wertschätzung für die Kunstform verloren gegangen ist. Die Moderne bedeutet einen Verlust an sinnlicher Erfahrung, und sie ist der Meinung, dass die Freude an der Kunst durch eine solche Überforderung der Sinne gemindert wird. Der moderne Interpretationsstil trennt Form und Inhalt auf eine Weise, die den Kunstwerken schadet. Die Kritiker verlieren die Klarheit der Sinneswahrnehmung.

"Wir müssen lernen, mehr zu sehen, mehr zu hören, mehr zu fühlen. Unsere Aufgabe ist es nicht, das Maximum an Inhalt in einem Kunstwerk freizulegen, aber noch weniger, mehr Inhalt aus dem Werk herauszuquetschen, als bereits vorhanden ist."

Hintergrund

"Mondnacht" zählt zur Gattung der Naturlyrik und manifestiert den Übergang von Romantik zu Spätromantik. Eichendorff wohnte damals in Berlin und blickte möglicherweise mit Sehnsucht auf seine oberschlesische Heimat zurück.

Das Gedicht hat besondere Anerkennung gefunden: Thomas Mann nannte es „die Perle der Perlen“, und Theodor W. Adorno empfand, „als wäre es mit dem Bogenstrich gespielt“. Ähnlich gelobt wird das Gedicht An Den Mond von Goethe.

Der Text wurde von Robert Schumann 1840 in seinem Zyklus Liederkreis Op. 39 vertont. Eine weitere bekannt gewordene Vertonung schuf 1853 Johannes Brahms. Die letzte Strophe wird häufig in Traueranzeigen verwendet.

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