GedichtGedichte

Das Gedicht „Osterglocken“ stammt aus der Feder von Felix Dahn.

Selten läuten hier die Glocken
   In der Protestantenstadt:
So ist fast mein Herz erschrocken,
   Als es heut’ vernommen hat
         Feierlich, mit tiefem Hall,
         Osterglocken, euern Schall!

Osterglocken, Faust’sche Klänge!
   Wie ihr schlaget an mein Ohr,
Mahnt ihr mich der Weihgesänge
   Von Alt-Münchens Oster-Chor,
         Wann euch trug der Märzenwind
         Zu dem ahnungsfrommen Kind.

Über Wipfel in dem Garten
   Hört’ ich leis die Klänge nahn,
Und mein gläubiges Erwarten
   Sah die Himmel aufgetan:
         Im Gewölk von Gottes Thron
         Nieder stieg des Menschen Sohn.

Ach, die Ulmenbäume ragen
   Wohl noch dort im Märzenwind,
Und Sanct Ludwig’s Glocken schlagen
   Noch wie damals voll und lind:
         Doch vernähm’ ich auch den Schall,
         Fänd’ er andern Widerhall. –

Andrer Ostern denk’ ich heute:
   An der blauen Adria
Über Pinien ihr Geläute
   Sandte die Basilika,
         Leise Klänge, todesmatt.
         Aus der Gothen Königsstadt.

Aus Ravenna kam’s gezogen
   Feierlich wie Grabgesang,
Und des Meeres leise Wogen
   Stimmten ein wie Klageklang:
         Dein gedacht’ ich, Held von Bern,
         Schöner, lang erloschner Stern.

Arme Menschheit! Was verloren,
   Bringt kein Ostern dir zurück.
Nie wird wieder dir geboren
   Totes Leben, totes Glück:
         Schönheit, Tugend, Weisheit, Kraft,
         Die der Tod dahin gerafft.

Arme Menschheit! All dein Sehnen:
   Leben, Wärme, Freude, Licht;
In des Leichenzuges Tränen
   Läßt du von der Hoffnung nicht:
         Ach, dein Lebensdrang so groß –:
         Und Vernichtung doch dein Loos!

Osterglocken, schönste Klänge
   Des Unsterblichkeitsgedichts!
Schwingt euch, ihr Triumphgesänge,
   Durch das Meer des Frühlingslichts!
         Kündet – wohl ist es getan –
         Laut der Menschheit Trost und – Wahn!

Denn sie kann ihn nicht entbehren;
   Selbst erquickt durch diesen Traum
Mag ertragen sie die schweren
   Lasten ihres Looses kaum:
         Löscht im finstern Schachte nicht
         Ihr das letzte Grubenlicht!

Nahet doch der armen Erden
   Einst der letzte Ostertag,
Der noch mag gefeiert werden
   Mit der Glocken hellem Schlag:
         Denn die nächste Wiederkehr – –:
         Menschen findet sie nicht mehr.

Ausgeglüht hat dann die Sonne,
   Die geglänzt Äonen lang:
Ausgeglüht in Weh und Wonne
   Auch der Menschheit Lebensdrang,
         Und in Nacht, in Eis, in Schmerz
         Brach das letzte Menschenherz.

Auch dies letzte wird noch wähnen,
   Dass es wieder weiter schlägt,
Dass ein andrer Stern sein Sehnen
   Flutend durch die Himmel trägt:
         Aber schweigend durch das All
         Kreist der ausgestorbne Ball.

Niemand ahnt dann mehr, welch’ Leben
   Einst auf dieser Scholle schwoll:
Unser Jauchzen, Weinen, Streben
   Spurlos, zeugnislos verscholl,
         Und in ew’ges Schweigen lang
         Schwand der Osterglocken Klang.

Hinweis: Siehe auch das Gedicht "Das Lied von der Glocke" indem Schiller die kundige Darstellung eines Glockengusses mit allgemeinen Weisheiten über das Leben, sowie den inhärenten Möglichkeiten und Gefahren verknüpft.

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