GedichtGedichte

Das Gedicht „Sehnsucht“ stammt aus der Feder von Joseph von Eichendorff.

Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht.

Analyse

Das Gedicht "Sehnsucht" (1834; Epoche der Romantik) besteht aus 3 Strophen mit je 8 Versen. Als Reimschema wird ein Kreuzreim der Gestalt [ababcdcd] verwendet. Es handelt sich um verdoppelte Volksliedstrophen mit - gelegentlich zweisilbigem - Auftakt. Es gibt durchgehend drei Hebungen pro Vers, freie Senkungsfüllungen und abwechselnd weibliche und männliche Kadenzen. Als Metrum tritt eine Kombination aus Daktylen und Trochäen auf.

Der Philosoph & Soziologe und, zusammen mit Max Horkheimer (1895- 1973), Begründer der Frankfurter Schule (Kritische Theorie) Theodor W. Adorno (1903 - 1969) stellt "Sehnsucht" ins Zentrum seiner Eichendorff-Interpretation:
"Dies Gedicht, unvergänglich wie nur eines aus Menschenhand, enthält kaum einen Zug, dem man nicht das Abgeleitete, Sekundäre vorrechnen könnte, aber jeder dieser Züge wandelt sich in Charakter durch die Fühlung mit dem nächsten. […]
"Sehnsucht" mündet in sich als in ihr eigenes Ziel, so wie, in ihrer Unendlichkeit, der Transzendenz über alles Bestimmte, der Sehnsüchtige den eigenen Zustand erfährt; so wie Liebe stets so sehr der Liebe gilt wie der Geliebten."

Inhalt / Zusammenfassung

Das Lyrische Ich steht am Fenster und betrachtet die Sommernacht ("Es schienen so golden die Sterne") auf dem Land. Zwei junge Gesellen kommen wandernd vorbei, und haben ein Lied auf den Lippen. Im weiteren wird der Inhalt dieses Liedes beschrieben: Felsschluchten, Wälder, Quellen, Gärten, Paläste. Schließlich werden die Mädchen erwähnt, die den Klängen des Liedes lauschten, während im Hintergrund die Brunnen rauschten.

Hintergrund

Das Gedicht erschien in dem romantischer Roman "Dichter und ihre Gesellen". Siehe auch Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn (Goethe) das in Italien angesiedelt ist.

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