GedichtGedichte

Das Gedicht „Es kommt ein Schiff geladen“ stammt aus der Feder von Johannes Tauler.

Es kommt ein Schiff, geladen
bis an sein' höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden,
des Vaters ewig's Wort.

Das Schiff geht still im Triebe,
es trägt ein’ teure Last;
das Segel ist die Liebe,
der Heilig’ Geist der Mast.

Der Anker haft' auf Erden,
da ist das Schiff am Land.
Das Wort tut Fleisch uns werden,
der Sohn ist uns gesandt.

Zu Bethlehem geboren
im Stall ein Kindelein,
gibt sich für uns verloren;
gelobet muß es sein.

Und wer dies Kind mit Freuden
umfangen, küssen will,
muß vorher mit ihm leiden
groß’ Pein und Marter viel,

danach mit ihm auch sterben
und geistlich aufersteh’n,
ewig’s Leben zu erben,
wie an ihm ist gescheh’n.

Maria, Gottes Mutter,
gelobet musst du sein.
Jesus ist unser Bruder,
das liebe Kindelein

Johannes Tauler

Analyse

Das Gedicht "Es kommt ein Schiff geladen" (ca. 1330; Epoche des Mittelalter) besteht aus 7 Strophen mit je 4 Versen. Das Reimschema [abab] ist ein Kreuzreim.

Inhalt / Zusammenfassung

Der Text ist typisch für die Allegorie im Mittelalter als wesentliches Element der Synthese von biblischen und klassischen Traditionen. Biblische Motive vergleichen die schwangere Jungfrau Maria mit einem beladenen einlaufenden Schiff. Das Schiff wird unter Segel (entsprechend der Liebe) und Mast (entsprechend dem Heiligen Geist) in Bewegung gesetzt.

Hintergrund

Johannes Tauler, geboren um 1300 in Straßburg und gestorben im Juni 1361 in derselben Stadt, war ein einflussreicher elsässischer Theologe, Mystiker und Prediger sowie ein Straßburger Schüler von Meister Eckhart.
Er wird manchmal "der erleuchtete Doktor " genannt, aber er erhielt nicht den akademischen Titel Doktor und Meister der Heiligen Schrift: Dieser Beiname stammt aus der Spätrenaissance, sowohl um die unter seinem Namen gedruckten Werke hervorzuheben als auch um echte Bewunderung und die Suche nach Ehrenformeln auszudrücken.
Er gehörte dem Dominikanerorden an. Tauler galt als einer der bedeutendsten rheinischen Mystiker. Er förderte eine gewisse neuplatonische Dimension in der dominikanischen Spiritualität seiner Zeit.

Die Zuschreibung des Textes an den Mystiker Johannes Tauler geht auf die Entdeckung - um 1450 - einer Handschrift mit einem ähnlichen Marienhymnus zurück, die in Straßburg im Dominikanerkloster St. Nicolaus in undis, wo Tauler wirkte, gefunden wurde.

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