GedichtGedichte

Das Gedicht „Psalm“ stammt aus der Feder von Georg Trakl.

Es ist ein Licht, das der Wind ausgelöscht hat.
Es ist ein Heidekrug, den am Nachmittag ein
            Betrunkener verläßt.
Es ist ein Weinberg, verbrannt und schwarz mit
            Löchern voll Spinnen.
Es ist ein Raum, den sie mit Milch getüncht
            haben.
Der Wahnsinnige ist gestorben. Es ist eine
            Insel der Südsee,
Den Sonnengott zu empfangen. Man rührt die
            Trommeln.
Die Männer führen kriegerische Tänze auf.
Die Frauen wiegen die Hüften in
            Schlinggewächsen und Feuerblumen,
Wenn das Meer singt. O unser verlorenes
            Paradies.

*      *      *

Die Nymphen haben die goldenen Wälder
            verlassen.
Man begräbt den Fremden. Dann hebt ein
            Flimmerregen an.
Der Sohn des Pan erscheint in Gestalt eines
            Erdarbeiters,
Der den Mittag am glühenden Asphalt
            verschläft.
Es sind kleine Mädchen in einem Hof in
            Kleidchen voll herzzerreißender Armut!
Es sind Zimmer, erfüllt von Akkorden und
            Sonaten.
Es sind Schatten, die sich vor einem
            erblindeten Spiegel umarmen.
An den Fenstern des Spitals wärmen sich
            Genesende.
Ein weißer Dampfer am Kanal trägt blutige
            Seuchen herauf.

*      *      *

Die fremde Schwester erscheint wieder in
            jemands bösen Träumen.
Ruhend im Haselgebüsch spielt sie mit seinen
            Sternen.
Der Student, vielleicht ein Doppelgänger,
            schaut ihr lange vom Fenster nach.
Hinter ihm steht sein toter Bruder, oder er geht
            die alte Wendeltreppe herab.
Im Dunkel brauner Kastanien verblaßt die
            Gestalt des jungen Novizen.
Der Garten ist im Abend. Im Kreuzgang
            flattern die Fledermäuse umher.
Die Kinder des Hausmeisters hören zu spielen
            auf und suchen das Gold des Himmels.
Endakkorde eines Quartetts. Die kleine Blinde
            läuft zitternd durch die Allee,
Und später tastet ihr Schatten an kalten
            Mauern hin, umgeben vom Märchen und
            heiligen Legenden.

*      *      *

Es ist ein leeres Boot, das am Abend den
            schwarzen Kanal heruntertreibt.
In der Düsternis des alten Asyls verfallen
            menschliche Ruinen.
Die toten Waisen liegen an der Gartenmauer.
Aus grauen Zimmern treten Engel mit
            kotgefleckten Flügeln.
Würmer tropfen von ihren vergilbten Lidern.
Der Platz vor der Kirche ist finster und
            schweigsam, wie in den Tagen der/T4]
            Kindheit.
Auf silbernen Sohlen gleiten frühere Leben
            vorbei
Und die Schatten der Verdammten steigen zu
            den seufzenden Wassern nieder.
In seinem Grab spielt der weiße Magier mit
            seinen Schlangen.

*      *      *

Schweigsam über der Schädelstätte öffnen sich
            Gottes goldene Augen.

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