GedichtGedichte

Das Gedicht „Traum und Wahrheit“ stammt aus der Feder von Felix Dahn.

Das war vor vielen, vielen Jahren,
Daß ich durch dies Gelände zog,
Ein Jüngling, dem von braunen Haaren
Ein froh Gelock das Haupt umflog.

Und lachend, wie dies Talgefilde,
Lag meine Zukunft hell vor mir:
Rings sah ich gold’ne Traumgebilde -
Jedoch den schönsten Traum in - Dir.

In Dir, Du Kind von fünfzehn Lenzen
Du scheues Reh am Waldessaum:
Es hing die Welt voll Blütenkränzen
Und Alles war mir wie ein Traum. -

Heut abermals durch dies Gelände
Thu’ ich erinn’rungsvolle Fahrt:
Schon neigt mein Leben sich zum Ende:
Im Herbstwind weht mein grauer Bart.

Da seh’ ich Herdesflammen glimmen:
Das ist Dein Haus - hier waltest Du:
Da hör’ ich helle Kinderstimmen -
Dein Töchterlein hüpft auf mich zu

Dein Töchterlein von fünfzehn Lenzen!
Bist Du’s nicht selbst? Ich weiß es kaum:
Nur fühl ich feucht mein Auge glänzen,
Und Alles ist mir wie ein Traum. -

Nein! Nicht ein Traum! - Was wir gesonnen,
Was wir gelebt, gewirkt, erreicht,
Das ist kein Schatte, rasch zerronnen
Das ist kein Schein, der schnell entweicht.

Rein, was sich einmal schön vollendet,
Von zartestem Gefühl geweiht,
Das wird uns nie mehr rückgewendet,
Das ward ein Tropfen Ewigkeit.

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