GedichtGedichte

Das Gedicht „Wintergedanken“ stammt aus der Feder von Barthold Heinrich Brockes.

Wie hat es diese Nacht gereift!
Mein Gott, wie grimmig stark muß es gefroren haben!
Wie schwirrt und schreit, wie knirrt und pfeift
Der Schnee bei jedem Tritt! Mit den jetzt trägen Naben
Knarrt, stockt und schleppt der Räder starres Rund,
Ja weigert gleichsam sich, den kalten Grund
Wie sonst im Drehen zu berühren.
Fast alles drohet, zu erfrieren,
Fast alles droht für Kälte zu vergehn.

Wie blendend weiß ist alles, was ich schau,
Sowohl in Tiefen als in Höhn;
Wie schwarz, wie dick, wie dunkelgrau
Hingegen ist der ganze Kreis der Luft,
Zumal da das noch niedre Sonnenlicht
Annoch nicht durch die Nacht des dicken Nebels bricht.

Es scheint, als könne man in einem greisen Duft
Die Kälte selbst an jetzt recht sichtbar sehn;
Sie fänget überall ergrimmt an zu regieren.
Drei Elemente selber müssen
Ihr schwer tyrannisch Joch verspüren
Und deren Bürger all das strenge Szepter küssen,
Das allem, was da lebt, Verlähmung, Pein und Tod,
Ja selber der Natur den Untergang fast droht. -

Laß aber, lieber Mensch, auch du, soviel an dir,
Dein Herz zum Mitleid doch bewegen,
Damit dein Liebesfeur dein armer Nachbar spür;
Komm, lindre seine Not mit deinem Segen.
Such ihm in scharfem Frost ein Labsal zu bereiten,
Damit, wie Hiob spricht, auch seine Seiten,
Wenn sie, durch deine Hülf erwärmt, dich preisen
Und so durch dich dem Schöpfer Dank erweisen.

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