GedichtGedichte

Das Gedicht „Abschied“ stammt aus der Feder von Paul Heyse.

I

Zum letztenmal
Meinen Lieblingspfad
Am Bergesabhang
Durch Rebengärten,
Wo zartverschränktes Olivenlaub
Unter den dunklen Lorbeerwipfeln
Freundlichen Schatten streut,
Wandl' ich dahin.

Still ist die Luft.
Nur ein lichtes Wölkchen
Steht regungslos
Drüben auf der weißen Stirn
Des greisen Monte Baldo,
Und die kleinen Städtchen, gelagert
Zu Füßen des Alten
Wie artige Kinder,
Torri und Garda
Mit San Vigilios Kap
Und südlicher Bardolino
Schimmern mit blanken Häuschen
Über der purpurnen Bläue des Sees
Den nicht ein Windhauch kräuselt.

Wonniger Frieden weitum.
Still atmet die Natur
Der Nacht entgegen,
Und drüben im Äther hängt
Die Mondenscheibe,
Eine Silberflocke,
Wie eine Blüte des Frühlingshimmels.

Dort aber das Haus,
Zu dem ich oft den Schritt gelenkt -
Vor dem niederen Eingang
Auf verwitterter Treppenstufe
Die spielenden Knäbchen
Verstummen, da sie mich sehn,
Das Hündchen belfert mich an,
Das magre, scharrende Hühnervolk
Stiebt auseinander,
Nur die Kaninchen fahren
Sorglos fort, die Kräuter zu rupfen
Im hohen Gras.
Und jetzt die junge Herrin der Hütte.
Der zweite Knabe
Hat die blauen Augen der Mutter,
Der ältre des Vaters Augen -
Occhi furbi.
Der mag wohl sitzen
Heut am Sonntag
In der Schenke drunten,
Über deren Tür man liest:
Al tempo perduto.

Lächelnd bietet das junge Weib
Mir guten Abend
Und steht, indem ich raste,
Vor mir, und wir plaudern
Von ihrem mühsamen Tagwerk,
Ihrer Kindersorge,
Die selten nur ihr erlaubt
Den Gang zur Messe.
Die höre der Mann statt ihrer.
Brav sei er und fleißig
Und halte sie gut.

Und das junge Gesicht
Von zarter Blässe,
Indem die Augen
Ruhn auf den Kleinen,
Strahlt von geheimem Stolz und Glück,
Wie jener Römerin,
Die ihre Kinder der Freundin zeigte
Als ihren Schatz an Kleinoden.

- Und da in der Schürze, Frau,
Was tragt Ihr her aus dem Gärtchen?
- Eine Handvoll Salat,
Heut abend zur Polenta.
Siam poveri!

O reiche Armut!
Erhalte sie dir ein gnädig Geschick
Und schütze deine Reben
Vor Hagelsturm
Und böser Krankheit
Und diese Kinderhäupter
Vor argen Gedanken,
Daß, wenn ich wiederkehre
Zu dieser Stätte,
Ich unversehrt noch finde
Deinen reichen Besitz
Am Köstlichsten der Welt:
Ein Haus voll Liebe,
Lebensgenüg' und Frieden.

II

Als wir beiden mußten scheiden,
Eine Nelke gab sie mir;
Die geliebten, stillbetrübten
Augen ruhten lang auf ihr.

Da vom zarten Strauch im Garten
Sie die dunkle Blume brach,
Lang mit Neigen in den Zweigen
Bebt' er seinem Liebling nach.

Doch den Wunden läßt gesunden
Heimat, die ihn treu umgibt,
Wenn die welke dunkle Nelke
Blatt auf Blatt im Wind zerstiebt.

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