GedichtGedichte

Das Gedicht „Abschied“ stammt aus der Feder von Gertrud Kolmar.

I.

Weil der Sommer Rosen bringt,
Bringt der Winter Schnee;
Weil ich meine Freude trag',
Trag' ich auch mein Weh.

Hätt' den Hut auf deinem Kopf
Niemals ich geseh'n,
Wüßt' ich auch nicht wie der Helm
Deiner Stirn möcht' stehn.

Und wenn nie solch wilder Bursch
Zu mir kommen wär',
Fiele deinem Mädchen heut'
Auch kein Scheiden schwer.

Huscht ein Tränchen mir vom Aug'
Ist's, weil eins mich reut:
Dass wir nicht genug geküßt,
Das schmerzt mich noch heut.

II.

Nach Osten send' ich mein Gesicht:
Ich will es von mir tun.
Es soll dort drüben sein im Licht,
Ein wenig auszuruhn
Von meinem Blick auf diese Welt,
Von meinem Blick auf mich,
Die plumpe Mauer Täglich Geld,
Das Treibrad Sputedich.

Sie trägt, die Welt in Rot und Grau
Durch Jammerschutt und Qualm
Die Auserwählten, Tropfentau
An einem Weizenhalm.
Ein glitzernd rascher Lebenslauf,
Ein Schütteln großer Hand:
Die einen fraß der Mittag auf,
Die andern schluckt der Sand.

Drum werd' ich fröhlich sein und still,
Wenn ich mein Soll getan;
In tausend kleinen Wassern will
Ich rinnen mit dem Schwan,
Der ohne Rede noch Getön
Und ohne Denken wohl
Ein Tier, das stumm, ein Tier, das schön,
Kein Geist und kein Symbol.

Und wenn ich dann nur leiser Schlag
An blasse Küsten bin,
So roll' ich frühen Wintertag,
Den silbern kühlen Sarkophag
Des ew'gen Todes hin,
Darin mein Antlitz dünn und leicht
Wie Spinneweben steht,
Ein wenig um die Winkel streicht,
Ein wenig flattert, lächelnd bleicht
Und ohne Qual verweht.

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