GedichtGedichte

Das Gedicht „An die Welt“ stammt aus der Feder von Andreas Gryphius.

Mein oft bestürmtes Schiff, der grimmen Winde Spiel,
Der frechen Wellen Ball, das schier die Flut getrennet,
Das über Klipp auf Klipp und Schaum und Sand gerennet,
Kommt vor der Zeit an Port, den meine Seele will.

Oft, wenn uns schwarze Nacht im Mittag überfiel,
Hat der geschwinde Blitz die Segel schier verbrennet.
Wie oft hab ich den Wind und Nord und Sud verkennet!
Wie schadhaft ist der Mast, Steuer, Ruder, Schwert und Kiel!

Steig aus, du müder Geist! Steig aus! Wir sind am Lande.
Was graut dir vor dem Port? Jetzt wirst du aller Bande
Und Angst und herber Pein und schwerer Schmerzen los.

Ade, verfluchte Welt! Du See voll rauer Stürme!
Glück zu, mein Vaterland! das stete Ruh im Schirme
Und Schutz und Frieden hält, du ewig lichtes Schloss!

Analyse

Das Sonett "An die Welt" (1637; Epoche des Barocks) besteht aus 4 Strophen (2 Quartette und 2 Terzette). Das durchgängige Metrum ist ein sechshebiger Jambus mit Mittelzäsur (kurze Pause innerhalb eines Verses).
Das Reimschema ist somit ein Alexandriner mit wechselnden von männlichen und weiblichen Kadenzen. Der Alexandriner zeichnet sich dadurch aus, dass nach der dritten Hebung, also der sechsten Silbe, eine Zäsur erfolgt (Einschnitt, Sprechpause) und das er mit einem Auftakt beginnt.

Inhalt / Zusammenfassung

Das Symbol der See (Schiff & Meer; Vers 1, 2 ,4, 6, 8) wird in den Quartetten deutlich betont, und steht möglicherweise für die Reise des Lebens.

Memento mori

Memento mori (lateinisch für „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“) ist ein künstlerisches oder symbolisches Motiv, das an die Unausweichlichkeit des Todes erinnert. Das Konzept hat seine Wurzeln bei den Philosophen des klassischen Altertums und des Christentums und taucht seit dem Mittelalter in der Grabkunst und -architektur auf.

Das häufigste Motiv ist ein Schädel, der oft von einem oder mehreren Knochen begleitet wird. Aber auch andere Motive wie ein Sarg, eine Sanduhr oder verwelkende Blumen weisen auf die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens hin. Oft werden diese Motive in einem Werk verwendet, dessen Hauptthema ein anderes ist, wie z. B. ein Porträt, aber die Vanitas ist eine Kunstgattung, in der das Thema des Todes das Hauptthema ist. Der Danse Macabre (Totentanz) und der mit einer Sense personifizierte Tod als Sensenmann sind noch direktere Anspielungen auf dieses Motiv.

Vanitas

Vanitas (lateinisch für "Eitelkeit", siehe auch Es ist alles eitel) ist eine Kunstgattung, die mit Hilfe von Symbolen die Vergänglichkeit des Lebens, die Sinnlosigkeit des Vergnügens und die Gewissheit des Todes darstellt. In Gemälde werden häufig Stillleben mit vergänglichen Gegenständen dargestellt. Das Genre begann im 16. Jahrhundert und setzte sich bis ins 17. Die Vanitas-Kunst ist eine Art von allegorischer Kunst, die ein höheres Ideal darstellt.

Hintergrund

Andreas Gryphius (deutsch: Andreas Greif; 1616 - 1664) war ein deutscher Dichter und Dramatiker. Er wurde in Glogau (Herzogtum Głogów, Schlesien) geboren und wuchs dort auf. Später studierte er am Akademischen Gymnasium Danzig. Im Alter von 33 Jahren heiratete er Rosina Deutschländer, mit der er 6 Kinder hatte.

Sein Leben war geprägt von den Leiden und Erfahrungen seiner Zeit, insbesondere dem Dreißigjährigen Krieg und den damit verbundenen Religionsverfolgungen. Erfüllt von einer tiefen Friedenssehnsucht empfand er die Tragödien seiner Zeit besonders stark.

Mit seinen wortgewaltigen Sonetten, beschreibt er das Leiden, die Gebrechlichkeit des Lebens und der Welt. Er gilt als einer der bedeutendsten Barockdichter. In seiner Poesie wird die Loslösung von der rhetorischen Tradition und die Hinwendung zur deutschen Sprache deutlich.

Original-Text

Oben ist die Version im heutigen Deutsch abgedruckt. Im Original wurde das Gedicht wir folgt geschrieben. Überschriebene e über a, o und u wurden als moderne Umlaute transkribiert. Quelle: Freuden vnd Trauer-Spiele auch Oden vnd Sonnette sampt Herr Peter Squentz Schimpff-Spiel. Sonnette. Das Erste Buch. 1658; S. 25

Sehr interessant ist, dass in dieser Ausgabe der Vers 3 (Das über Klipp auf Klipp und Schaum und Sandt gerennet) in der ersten Strophe fehlt - was nicht den Regeln eines Sonetts entspricht.

Mein offt bestürmtes Schiff der grimmen Winde-Spiel
Der frechen Wellen Baall / das schier die Flutt getrennet?
Komt vor der Zeit an Port / den meine Seele wil.

Offt / wenn vns schwartze Nacht im Mittag überfiell
Hat der geschwinde Plitz die Segel schier verbrennet!
Wie offt hab ich den Wind / vnd Nord’ vnd Sud verkennet!
Wie schadhafft ist der Mast / Steur-Rurder / Schwerdt vnd Kiell.

Steig auß du müder Geist / steig auß! wir sind am Lande!
Was graut dir für dem Port / itzt wirst du aller Bande
Vnd Angst / vnd herber Pein / vnd schwerer Schmertzen loß.

Ade / verfluchte Welt: du See voll rauer Stürme!
Glück zu mein Vaterland / das stätte Ruh’ im Schirme
Vnd Schutz vnd Frieden hält / du ewig-lichtes Schlos!

Der Text des Gedichts steht auch als mustergültig gestaltetes PDF An die Welt zum Drucken bereit.

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