GedichtGedichte

Das Gedicht „Anna“ stammt aus der Feder von Gerhart Hauptmann.

Solch schönes Gefäß, solch süßer Wein
soll zerfallen und ungetrunken sein?

Ein Auge, so rein wie Sternenlicht,
nicht soll es erleuchten und wärmen nicht?

Und irren doch rings in der Welt umher
viel Seelen so licht- und so wärmeleer,

die sich sehnen so sehr nach der Liebe Strahl,
der sich nie durch die Nacht ihres Lebens stahl.

Solch süßer Leib, solch schwellende Brust
soll nie erblühen in Liebeslust?

Solch wilde Kraft austoben nie
als in kranken Phantomen der Phantasie?

Solch stolzer Bau auf ewig vergehn,
nicht im Erben einmal wieder auferstehn?

Tauschönes Bild, ich sog deinen Duft,
so leicht wie der gleitende Atem der Luft,

umgaukelte dich, ein Falter blau,
doch strich ich dir ab kein Tröpflein Tau.

Du duftest und stehest noch taufrisch im Hain,
doch der Winter bricht mit den Frösten herein.

Der Frühling gefriert, der Dufthauch erstirbt,
und der Tod um die liebliche Blume wirbt.

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