GedichtGedichte

Das Gedicht „Belsatzar“ stammt aus der Feder von Heinrich Heine.

Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloss,
Da flackert's, da lärmt des Königs Tross.

Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech und lästert wild;
Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
Und rufet laut mit schäumendem Mund:

Jehovah! Dir künd ich auf ewig Hohn –
Ich bin der König von Babylon!

Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward's heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! Und sieh! An weißer Wand
Das kam's hervor wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und totenblass.

Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.

Analyse

Die Ballade "Belsazar" (1820; Epoche des Vormärz) besteht aus 21 Strophen mit je 2 Versen, die durchgängig im Paarreim gehalten sind. Das Versmaß ist in der Regel ein jambischer Vierheber und endet mit einer männlichen Kadenz. Ausnahmen: ein Anapäst statt der erwarteten Jamben sind im Vers 14 und 15 zu finden, sowie in den Strophen 10, 11 und 12.

Inhalt / Zusammenfassung

Das Gedicht gibt eine abgewandelte biblische Erzählung aus dem Buch Daniel wieder: Belsazar, der König von Babylon, lästert über Jehova, den Gott der Juden. Daraufhin erscheint eine geheimnisvolle Flammenschrift an der Wand. In der biblischen Vorlage enthüllt der Prophet Daniel das Menetekel als Urteil Gottes und prophezeit dem Herrscher den baldigen Untergang.

In der Adaption von Heine fehlt der Prophet und der Sinn der rätselhaften Schrift wird nicht direkt erklärt. Dennoch erzeugt er so viel Furcht, das der König Belsatzar von seinen eigenen Gefolgsleuten getötet wird.

Hintergrund

Es wird angenommen, dass Heine nach einer Lesung des ins Deutsche übersetzten Gedichtes "Vision of Belshazzar" von Lord Byron seine Ballade niederschrieb.

Im Buch Daniel Kapitel 5 Vers 25 f. tauchen die Wörter "Mene mene tekel u-parsin" auf. Übersetzt werden sie in Kurzform mit: "gezählt, gewogen und geteilt". Daniel interpretiert sie als:

  1. "Mənē": Gezählt, das heißt, Gott hat die Tage Deiner Königsherrschaft gezählt und sie beendet
  2. "Təqēl": Gewogen, das heißt, Du wurdest auf der Waage gewogen und für zu leicht befunden
  3. "Parsin": Zerteilt, das heißt, Dein Königreich wird den Persern und Medern übergeben

Später hat sich daraus der Wort "Menetekel" mit der Bedeutung "(geheimnisvolles) warnendes Vorzeichen eines drohenden Unheils, ernstes Warnzeichen" entwickelt.

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