Das Gedicht „Blauer Abend in Berlin“ stammt aus der Feder von Oskar Loerke.
Der Himmel fließt in steinernen Kanälen
Denn zu Kanälen steilrecht ausgehauen
Sind alle Straßen, voll vom Himmelblauen.
Und Kuppeln gleichen Bojen, Schlote Pfählen
Im Wasser. Schwarze Essendämpfe schwelen
Und sind wie Wasserpflanzen anzuschauen.
Die Leben, die sich ganz im Grunde stauen,
Beginnen sacht vom Himmel zu erzählen,
Gemengt, entwirrt nach blauen Melodien.
Wie eines Wassers Bodensatz und Tand
Regt sie des Wassers Wille und Verstand
Im Dünen, Kommen, Gehen, Gleiten, Ziehen.
Die Menschen sind wie grober bunter Sand
Im linden Spiel der großen Wellenhand.
Analyse
Das Sonett „Blauer Abend in Berlin“ (1911; Epoche des Expressionismus) besteht aus 4 Strophen mit je 4 bzw. 3 Versen. Das Reimschema [abba, cddc, eff, eff] besteht aus einem umarmenden Reim in den Quartetten und einem Schweifreim in den Das Versmaß ist meist ein fünfhebiger Jambus. Die Kadenzen sind überwiegend weiblich.
Inhalt / Zusammenfassung
Das Gedicht vergleicht die Stadt und ihre Bewohner mit einer Wasserlandschaft und beschreibt das Verhältnis einer künstlich geschaffenen Welt und der Natur.
Einige Erläuterungen zur Wortlehre:
- "Esse" steht für a) eine offene Feuerstelle mit Anblasung und Abzug (z. B. in einer Schmiede); b) einen Schornstein (in den ostmitteldeutschen Dialekten).
- "Tand" ist eine altertümliche Bezeichnung für eine hübsche, nutzlose Sache, welche keinen Wert hat. Der sogenannte „Nürnberger Tand“ war das erste industriell hergestellte Kinderspielzeug. Mehr oder weniger synonyme Begriffe sind etwa Nippes, Firlefanz oder Trödel.
- "dünen" als Verb stammt vom Substantiv "Dünung" und meint u.a. den Seegang (nach einem Sturm) mit dem gleichmäßigen Auf und Ab der langen Wellen.
- "linden" als Verb ist eine Metapher für etwas weiches und zartes, sowie das Holz der Linde weich ist, insbesondere verglichen mit dem harten Holz der Eiche.
Hintergrund
Berlin ist die Hauptstadt und die größte Stadt Deutschlands. Sie ist außerdem eines der sechzehn Bundesländer der Bundesrepublik. Berlin liegt im Nordosten des Landes und hat knapp 4 Millionen Einwohner auf einer Fläche von 900 km2.
Im 13. Jahrhundert gegründet, war Berlin nacheinander Hauptstadt des Kurfürstentums Brandenburg (1247-1701), des Königreichs Preußen (1701-1871), des Deutschen Reichs (1871-1918), der Weimarer Republik (1919-1933) und des Dritten Reichs (1933-1945). Nach 1945 und bis zum Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 war die Stadt in 4 Besatzungssektoren aufgeteilt. Während des Kalten Krieges wurde der sowjetische Sektor der Stadt, Ostberlin genannt, zur Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik. Nach dem Fall der Mauer wurde Berlin 1990 wieder zur Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands und 1999 zogen die wichtigsten bundesstaatlichen Institutionen in die Stadt.
Berlin beherbergt weltberühmte Universitäten wie die Humboldt-Universität, die Technische Universität, die Freie Universität, die Universität der Künste, die ESMT Berlin, die Hertie School und das Bard College Berlin.
Der Zoologische Garten ist der meistbesuchte Zoo in Europa und einer der beliebtesten weltweit.
Mit Babelsberg, dem ersten großen Filmstudiokomplex der Welt, ist Berlin ein zunehmend beliebter Standort für internationale Filmproduktionen. Die Stadt ist bekannt für ihre Festivals, ihre vielfältige Architektur, ihr Nachtleben, ihre zeitgenössische Kunst und ihre hohe Lebensqualität.
Weitere gute Gedichte des Autors Oskar Loerke.
Bekannte Gedichte zum Thema "Blau":
- Mein blaues Klavier — Lasker-Schüler
- Mit deinen blauen Augen — Heine
- Die blaue Blume — Eichendorff
- Unter des Himmels Blau — Rückert
- Träumerei in Hellblau — Heym
- Blauer Abend in Berlin — Loerke
- Die Luft ist blau — Hölty
- Der blaue Abend — Ball
Bekannte Gedichte zum Thema "Berlin":
- Berlin — Morgenstern
- Berliner Abend — Boldt
- Berlin (I, II, III) — Heym
- Gesänge an Berlin — Lichtenstein
- An die Berlinerin — Tucholsky