GedichtGedichte

Das Gedicht „Sprich aus der Ferne!“ stammt aus der Feder von Clemens Brentano.

   Sprich aus der Feme,
   Heimliche Welt,
   Die sich so gerne
   Zu mir gesellt!

Wenn das Abendrot niedergesunken,
Keine freudige Farbe mehr spricht,
Und die Kränze still leuchtender Funken
Die Nacht um die schattigte Stirne flicht:

   Wehet der Sterne
   Heiliger Sinn
   Leis durch die Ferne
   Bis zu mir hin.

Wenn des Mondes still lindernde Tränen
Lösen der Nächte verborgenes Weh,
Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen
Schiffen die Geister im himmlischen See.

   Glänzender Lieder
   Klingender Lauf
   Ringelt sich nieder,
   Wallet hinauf.

Wenn der Mitternacht heiliges Grauen
Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht,
Und die Büsche gar wundersam schauen,
Alles sich finster, tiefsinnig bezeugt:

   Wandelt im Dunkeln
   Freundliches Spiel,
   Still Lichter funkeln
   Schimmerndes Ziel.

Alles ist freundlich wohlwollend verbunden,
Bietet sich tröstend und traurend die Hand,
Sind durch die Nächte die Lichter gewunden,
Alles ist ewig im Innern verwandt.

   Sprich aus der Ferne,
   Heimliche Welt,
   Die sich so gerne
   Zu mir gesellt!

Analyse

Das Gedicht „Sprich aus der Ferne!“ (1801; Epoche der Romantik) besteht aus 9 Strophen (abwechselnd kurze & lange die zusätzlich immer mit "Wenn" oder "Alles" beginnen) mit je 4 Versen. Das Reimschema ist ein Kreuzreim [abab] mit einer Ausnahme in Vers 24.
Das Vermaß wird in den Langstrophen aus vierhebigen Daktylen und Trochäen und in den Kurzstrophen aus zweihebigen Daktylen und Trochäen gebildet. Die Kadenz ist abwechselnd weiblich und männlich.

Inhalt / Zusammenfassung

Das lyrische Ich ist ergriffen von der Sehnsucht nach der Ferne, dem nicht Offensichtlichen, dem Verborgenen, der "heimlichen Welt" die zugleich eine intensive Verbundenheit/Erfahrung mit der Natur verspricht. Diese Suche nach der Begegnung mit einer anderen Welt ist typisch für die Romantik.

Hintergrund

Seit 1798 studierte Clemens Brentano Medizin (1778 - 1842) an der Universität Jena wo er die Vertreter der Weimarer Klassik (Christoph Martin Wieland, Johann Gottfried Herder, Johann Wolfgang Goethe) und der Frühromantik (Friedrich Schlegel, Johann Gottlieb Fichte und Ludwig Tieck) kennen lernte. Letztere ist ab 1800 in Jena personell nahezu vollständig vertreten. Von ihren Werken und literaturtheoretischen Schriften ließ sich Brentano zu seinen ersten Werken anregen, vor allem zu dem Roman "Godwi", in dem auch einige der bekanntesten Gedichte Brentanos enthalten sind (Zu Bacharach am Rheine, Sprich aus der Ferne, Ein Fischer saß im Kahne).

1801 in Göttingen, wo er als Student der Philosophie eingeschrieben war, lernte er Achim von Arnim kennen, mit dem ihn bald eine enge Freundschaft verband und mit dem er 1802 eine Reise auf dem Rhein unternahm. Nach seiner Heirat mit der Schriftstellerin Sophie Mereau (1770 - 1806; z.B. Feuerfarb) zog er 1804 nach Heidelberg, wo er mit Arnim die "Zeitung für Einsiedler" und die Volksliedsammlung "Des Knaben Wunderhorn" herausgab.

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