GedichtGedichte

Das Gedicht „Der Heideknabe“ stammt aus der Feder von Friedrich Hebbel.

Der Knabe träumt, man schicke ihn fort
mit dreißig Talern zum Heideort,
    er ward drum erschlagen am Wege
    und war doch nicht langsam und träge.

Noch liegt er im Angstschweiß, da rüttelt ihn
sein Meister, und heißt ihm, sich anzuziehn
    und legt ihm das Geld auf die Decke
    und fragt ihn, warum er erschrecke.

»Ach Meister, mein Meister, sie schlagen mich tot,
die Sonne, sie ist ja wie Blut so rot!«
    »Sie ist es für dich nicht alleine,
    drum schnell, sonst mach’ ich dir Beine!«

»Ach Meister, mein Meister, so sprachst du schon,
das war das Gesicht, der Blick, der Ton,
    gleich greifst du« - zum Stock, will er sagen,
    er sagt’s nicht, er wird schon geschlagen.

»Ach Meister, mein Meister, ich geh’, ich geh’,
bring’ meiner Frau Mutter das letzte Ade!
    Und sucht sie nach allen vier Winden,
    am Weidenbaum bin ich zu finden!«

Hinaus aus der Stadt! Und da dehnt sie sich,
die Heide, nebelnd, gespenstiglich,
    die Winde darüber sausend.
    »Ach, wär’ hier ein Schritt, wie tausend!«

Und alles so still, und alles so stumm,
man sieht sich umsonst nach Lebendigem um,
    nur hungrige Vögel schießen
    aus Wolken, um Würmer zu spießen.

Er kommt ans einsame Hirtenhaus,
der alte Hirt schaut eben heraus,
    des Knaben Angst ist gestiegen,
    am Wege bleibt er noch liegen.

»Ach Hirte, du bist ja von frommer Art,
vier gute Groschen hab’ ich erspart,
    gib deinen Knecht mir zur Seite,
    daß er bis zum Dorf mich begleite.

Ich will sie ihm geben, er trinke dafür
am nächsten Sonntag ein gutes Bier,
    dies Geld hier, ich trag’ es mit Beben,
    man nahm mir im Traum drum das Leben!«

Der Hirt, der winkte dem langen Knecht,
er schnitt sich eben den Stecken zurecht,
    jetzt trat er hervor - wie graute
    dem Knaben, als er ihn schaute!

»Ach Meister Hirte, ach nein, ach nein,
es ist doch besser, ich geh’ allein!«
    Der Lange spricht grinsend zum Alten:
    »Er will die vier Groschen behalten.«

»Da sind die vier Groschen!« Er wirft sie hin
und eilt hinweg mit verstörtem Sinn.
    Schon kann er die Weide erblicken,
    da klopft ihn der Knecht in den Rücken.

»Du hältst es nicht aus, du gehst zu geschwind,
ei, Eile mit Weile, du bist ja noch Kind,
    auch muß das Geld dich beschweren,
    wer kann dir das Ausruhn verwehren?

Komm, setz’ dich unter den Weidenbaum
und dort erzähl’ mir den hässlichen Traum;
    mir träumte - Gott soll mich verdammen,
    trifft’s nicht mit deinem zusammen!«

Er faßt den Knaben wohl bei der Hand,
der leistet auch nimmermehr Widerstand,
    die Blätter flüstern so schaurig,
    das Wässerlein rieselt so traurig!

»Nun sprich, du träumtest« - »Es kam ein Mann -«
»War ich das? Sieh mich doch näher an,
    ich denke, du hast mich gesehn!
    Nun weiter, wie ist es geschehn?«

»Er zog ein Messer!« - »War das, wie dies?« -
»Ach ja, ach ja!« - »Er zogs?« - »Und stieß -«
    »Er stieß dir’s wohl so durch die Kehle?
    Was hilft es auch, daß ich dich quäle!«

Und fragt ihr, wie’s weiter gekommen sei?
So fragt zwei Vögel, sie saßen dabei,
    der Rabe verweilte gar heiter,
    die Taube konnte nicht weiter!

Der Rabe erzählt, was der Böse noch tat,
und auch, wie’s der Henker gerochen hat;
    die Taube erzählt, wie der Knabe
    geweint und gebetet habe.

Heide

Anmerkung: In dieser Ballade von Friedrich Hebbel (1813 - 1863) geht es um einen Jungen, der aus einem Traum oder Albtraum erwacht, in dem er wegen des Geldes, das er bei sich trägt, getötet wird. Der Traum scheint in dem Moment wahr zu werden, in dem er aufwacht, denn sein Herr gibt ihm Geld und schickt ihn weg, indem er ihn mit dem Stock schlägt, den der Junge in seinem Traum gesehen hat, mit demselben Blick auf dem Gesicht des Herrn und demselben Ton in seiner Stimme. Der Junge geht durch die Heide und kommt zu einem Hirtenhaus, wo er jemanden (den Knecht) bittet, ihn ins Dorf zu begleiten, und verspricht, das Geld zu bezahlen, das er für diesen Dienst hat.
Doch als er den Knecht sieht, erinnert er sich an seinen Traum und will nicht mehr, dass er mit ihm kommt. Der Junge rennt weg, aber der große Mann folgt ihm und holt ihn bei der Weide ein. Derselbe Weidenbaum, den der Junge zuvor dem Meister gegenüber erwähnt und ihn gebeten hatte, seiner Mutter zu sagen, dass sie dort nach ihm suchen solle. Dort spielt der Mann den Traum des Jungen nach und tötet ihn, indem er ihm das Messer, das der Junge in seinem Traum gesehen hatte, durch die Kehle sticht.
Die einzigen Zeugen der Szene sind zwei Vögel - ein Rabe und eine Taube... der Rabe schwelgt in der dunklen Seite der Geschichte und die Taube erzählt, wie der Junge sie angefleht hat...

Siehe auch: Der Knabe im Moor — Droste-Hülshoff.

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