GedichtGedichte

Das Gedicht „Der Wassermann“ stammt aus der Feder von Johann Gottfried Herder.

»O Mutter, guten Rat mir leiht,
Wie soll ich bekommen das schöne Maid?«

Sie baut ihm ein Pferd von Wasser klar,
Und Zaum und Sattel von Sande gar.

Sie kleidet ihn an zum Ritter fein,
So ritt er Marienkirchhof hinein.

Er band sein Pferd an die Kirchentür,
Er ging um die Kirch dreimal und vier.

Der Wassermann in die Kirch ging ein,
Sie kamen um ihn, groß und klein.

Der Priester eben stand vorm Altar:
»Was kommt für ein blanker Ritter dar.«

Das schöne Mädchen lacht in sich:
»O wär der blanke Ritter für mich!«

Er trat über einen Stuhl und zwei:
»O Mädchen gib mir Wort und Treu.«

Er trat über Stühle drei und vier:
»O schönes Mädchen zieh mit mir.«

Das schöne Mädchen die Hand ihm reicht:
»Hier hast meine Treu, ich folg dir leicht.«

Sie gingen hinaus mit Hochzeitschar,
Sie tanzten freudig und ohn Gefahr.

Sie tanzten nieder bis an den Strand,
Sie waren allein jetzt Hand in Hand.

»Halt, schönes Mädchen, das Ross mir hier!
Das niedlichste Schiffchen bring ich dir.«

Und als sie kamen auf 'n weißen Sand,
Da kehrten sich alle Schiffe zu Land.

Und als sie kamen auf den Sund,
Das schöne Mädchen sank zu Grund.

Noch lange hörten am Lande sie,
Wie das schöne Mädchen im Wasser schrie.

Ich rat euch, Jungfern, was ich kann:
Geht nicht in Tanz mit dem Wassermann.

Weitere gute Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder.