GedichtGedichte

Das Gedicht „Die eine Klage“ stammt aus der Feder von Karoline von Günderrode.

Wer die tiefsten aller Wunden
hat in Geist und Sinn empfunden,
bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt, was er verloren,
lassen muss, was er erkoren,
das geliebte Herz,

Der versteht in Lust die Tränen
und der Liebe ewig Sehnen
ein in zwei zu sein,
eins im andern sich zu finden,
das der Zweiheit Grenzen schwinden
und des Daseins Pein.

Wer so ganz in Herz und Sinnen
könnt ein Wesen lieb gewinnen,
o′ den tröstet′s nicht,
das für Freuden, die verloren,
neue werden neu geboren:
Jene sind′s jedoch nicht.

Das geliebte, süße Leben
dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick,
dieses Suchen und dies Finden,
dieses Denken und Empfinden
gibt kein Gott zurück.

Analyse

Das Gedicht "Die eine Klage" (1804; Epoche der Romantik) besteht aus 4 Strophen mit je 6 Versen. Das Reimschema ist als Paarreim und umarmender Reim realisiert, wobei der Paarreim mit einer weiblichen Kadenz und der umarmende Reim mit einer männlichen Kadenz endet. Das Versmaß ist ein Trochäus.

Inhalt / Zusammenfassung

Das Gedicht beschreibt den Schmerz nach einer Trennung, sowie die Tatsache, dass niemand, weder neue Freunde oder der Glaube an Gott den Schmerz lindern, oder die verflossene Liebe ersetzen kann.

Die Wortfelder "Leben", "wollen", "lieben" und "Gott" sind prominent vertreten. Der Akzent liegt auf dem Element der Selbstermächtigung: "lieben wollen". Das Leben und Gott, das Leben unter der Annahme eines höchsten Prinzips zu leben, das heißt lieben. Von Glück ist nicht explizit die Rede. In den Worten Gott und lieben allerdings schwingt es als Erwartung mit. Zentrale Themen sind Liebe & Tod, Freundschaft & Macht, Weisheitslehren & Rituale.

Hintergrund

Die Klage ist der Ausdruck eines stark negativen menschlichen Gefühls (Schmerz, Kummer, Trauer, Traurigkeit, Schuld, Scham, Nostalgie), das in leidenschaftlicher Weise künstlerisch zum Ausdruck gebracht wird. Sie kann aus der Trauer über einen Verlust (Tod, Liebeskummer, Entfremdung von einem geliebten Menschen oder einem geliebten Land) oder aus dem Bedauern entstehen. Sie ist ein Thema in der Literatur (vor allem in der Poesie) sowie in der Musik und in der bildenden Kunst.

Der Begriff "Trauerlied" bzw. "Klagelied" bezieht sich sowohl auf Poesie ohne Musik als auch auf Musikstücke mit Text: Ursprünglich war Lyrik gesungene Poesie, die von Musikinstrumenten begleitet wurde (z. B. von der Leier oder, im Falle von Trauerliedern, vom griechischen Aulos oder anderen Blasinstrumenten).

Sowohl in der schriftlichen Literatur als auch in der mündlichen Überlieferung, sowohl in der Antike als auch in der Neuzeit, wird die Klage oft in den Mund der Frauen gelegt, denen in fast allen Kulturen die Rolle der Trauernden anvertraut wurde (die die Klage physisch durch Weinen, Seufzen, Jammern, Stöhnen, Ächzen, Schreien und Gesten der Trauer und Verzweiflung, einschließlich Selbstverletzung, zum Ausdruck bringen).
Klageweiber (die gewerbsmäßig die rituelle Totenklage gegen Honorar ausübten) gab es in orientalischen, altägyptischen und seltener auch in griechischen und römischen Trauerbräuchen, hier vor allem seit der hellenistischen Zeit bei Bestattungen wohlhabender Verstorbener.

Das Klagen unterliegt in hohem Maße dem Einfluss der Kultur z. B. bei Trauerriten (vgl. Totenklage). Selbst das alltägliche Sich-Beklagen von Menschen im Kollegen-, Freundes- oder Familienkreis oder in der Partnerschaft kann ritualisierte Züge aufweisen.

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