GedichtGedichte

Das Gedicht „Die zwei Gesellen“ stammt aus der Feder von Joseph von Eichendorff.

Es zogen zwei rüstge Gesellen
Zum erstenmal von Haus,
So jubelnd recht in die hellen,
Klingenden, singenden Wellen
Des vollen Frühlings hinaus.

Die strebten nach hohen Dingen,
Die wollten, trotz Lust und Schmerz,
Was Rechts in der Welt vollbringen,
Und wem sie vorübergingen,
Dem lachten Sinn und Herz. -

Der erste, der fand ein Liebchen,
Die Schwieger kauft′ Hof und Haus;
Der wiegte gar bald ein Bübchen,
Und sah aus heimlichem Stübchen
Behaglich ins Feld hinaus.

Dem zweiten sangen und logen
Die tausend Stimmen im Grund,
Verlockend′ Sirenen, un zogen
Ihn in der buhlenden Wogen
Farbig klingenden Schlund.

Und wie er auftaucht vom Schlunde,
Da war er müde und alt,
Sein Schifflein das lag im Grunde,
So still wars rings in der Runde,
Und über die Wasser wehts kalt.

Es singen und klingen die Wellen
Des Frühlings wohl über mir;
Und seh ich so kecke Gesellen,
Die Tränen im Auge mir schwellen -
Ach Gott, führ mich liebreich zu Dir!

Analyse

Das Gedicht „Die zwei Gesellen“ (1818; Epoche der Romantik) besteht aus 6 Strophen mit je 5 Versen. Das Reimschema ist [abaab], wobei jeweils die 3 Zeilen mit den a-Reimen weibliche Kadenzen haben (z. B. Gesellen/hellen/Wellen) und die mit den b-Reimen männliche (z. B. Haus/aus).
Das Versmaß ist nicht einheitlich, sondern variiert zwischen Jambus und Daktylus mit jeweils 3 Hebungen.

Inhalt / Zusammenfassung

In den Strophen I bis V wird eine Geschichte erzählt, deren Hauptpersonen 2 Gesellen sind. Die beiden begeben sich gemeinsam auf die Wanderschaft und gehen später getrennte Wege. In der letzten Strophe kommentiert das lyrische Ich die unterschiedlichen Schicksale (siehe auch Schöne Fremde aus dem romantischen Roman "Dichter und ihre Gesellen" (1833)).

Wortlehre: Schwieger = Schwiegermutter oder Schwiegervater / Grund & Schlund = Abgrund, Tiefe / Geselle = junger Mann, der eine handwerkliche Grundausbildung abgeschlossen hat (und danach für einige Jahre auf Wanderschaft geht (= Walz)); früher auch mit der Bedeutung 'Bursche' oder 'Gefährte'.

Hintergrund

Wie auch sein preußischer Zeitgenosse E.T.A. Hoffmann (z.B. "Der Sandmann"), der ebenfalls Jurist und im Staatsdienst tätig war, greift Eichendorff das Motiv des Wanderns immer wieder auf. Dabei stellt er insbesondere den Kontrast zwischen der "nomadischen" und "sesshaften" Lebensform in den Vordergrund. Den Gegensatz zwischen der bürgerlichen Existenz und dem romantisch-künstlerischen Leben beschreibt Eichendorff im ersten Kapitel des Romans „Dichter und ihre Gesellen“ (1834) mit vielen anschaulichen Details.

Berühmt ist die Vertonung des Textes durch Robert Schumann unter dem Titel "Frühlingsfahrt" (Op. 45 Nr. 2). Das Motiv des Gesellen findet sich auch in bekannten Lieder-Zyklen ("Die schöne Müllerin" (z.B. Das Wandern ist des Müllers Lust) und "Winterreise" (z.B. Am Brunnen vor dem Tore) von Franz Schubert sowie "Lieder eines fahrenden Gesellen" von Gustav Mahler).

Weitere gute Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff.