GedichtGedichte

Das Gedicht „Don Juan“ stammt aus der Feder von Karoline von Günderrode.

Es ist der Festtag nun erschienen
Geschmücket ist die ganze Stadt.
Und die Balkone alle grünen,
In Blumen blüht der Fürstin Pfad.
Da kommt sie, schön in Gold und Seide
Im königlichen Prunkgeschmeide
An ihres neu Vermählten Seite.

Erstaunet siehet sie die Menge
Und preiset ihre Schönheit hoch!
Doch Einer, Einer im Gedränge
Fühlt tiefer ihre Schönheit noch.
Er mögt in ihrem Blick vergehen
Da er sie einmal erst gesehen,
Und fühlt im Herzen tiefe Wehen.

Sein Blick folgt ihr zum Hochzeitstanze
Durch all der Tänzer bunte Reihn,
Er stirbet bald in ihrem Glanze
Lebt auf im milden Augenschein.
So wird er seines Schauens Beute,
Und seiner Augen süße Weide
Bringt bald dem Herzen bittres Leide.

So hat er Monde sich verzehret,
In seines eignen Herzens Glut;
Hat Töne seinem Schmerz verwehret,
Gestählt in der Entsagung Mut;
Dann könnt er vohr'gen Mut verachten
Und leben nur im tiefen Schmachten,
Die Anmutsvolle zu betrachten.

Mit Philipp war, an heil'ger Stätte,
Am Tag den Seelen fromm geweiht,
Sein Hof versammelt zu Gebete
Das Seelen aus der Qual befreit;
Da flehen Juans heisse Blicke:
Dass sie ihn einmal nur beglücke!
Erzwingen will ers vom Geschicke.

Sie senkt das Haupt mit stillen Sinnen
Und hebt es dann zum Himmel auf;
Da flammt in ihm ein kühn Beginnen,
Er steigt voll Mut zum Altar auf.
Laut will er seinen Schmerz ihr nennen,
Und seines Herzens heißes Brennen,
In heil'ger Gegenwart bekennen.

Laut spricht er: Priester! Lasset schweigen
Für Tote die Gebete all.
Für mich lasst heisse Bitten steigen;
Denn größer ist der Liebe Qual,
Von der ich wehn'ger kann genesen,
Als jene unglücksel'gen Wesen
Zur Qual des Feuers auserlesen.

Und staunend siehet ihn die Menge
So schön verklärt in Liebesmut.
»Wo ist, im festlichen Gepränge,«
Denkt Manche still, »die solche Glut
Und solches Wort hat jetzt gemeinet?«
Sie ist's, die heimlich Tränen weinet,
Die Juans heisse Liebe meinet.

War's Mitleid, ist es Lieb' gewesen,
Was diese Tränen ihr erpreßt?
Vom Gram kann Liebe nicht genesen,
Wenn Zweifelmut sie nicht verlässt.
Er kann sich Friede nicht erjagen;
Denn nimmer darf's die Lippe wagen,
Der Liebe Schmerz ihr mehr zu klagen.

Nur einen Tag will er erblicken
Der trüb ihm nicht vorüber flieht,
Nur eine Stunde voll Entzücken
Wo süße Liebe ihm erblüht,
Nur einen Tag der Nacht erwecken,
Es mag ihn dann, mit ihren Schrecken
Auf ewig, Todesnacht bedecken.

Es liebt die Königin die Bühne,
Erschien oft selbst im bunten Spiel.
Daß er dem kleinsten Wunsche diene
Ist jetzt nur seines Lebens Ziel.
Er läßt ihr ein Theater bauen,
Dort will die reizendste der Frauen,
Er noch in neuer Anmuth schauen.

Der Hof sich einst im Spiel vereinet,
Die Königin in Schäfertracht
Mit holder Anmut nun erscheinet
Den Blumenkranz in Lockennacht.
Und Juans Seele sieht verwegen,
Mit ungestümem wildem Regen,
Dem kommenden Moment entgegen.

Er winkt, und Flamm und Dampf erfüllen,
Entsetzlich jetzt das Schauspielhaus;
Der Liebe Glück will er verhüllen
In Dampf und Nacht und Schreck und Graus;
Er jauchzet, daß es ihm gelungen,
Des Schicksals Macht hat er bezwungen,
Der Liebe süssen Lohn errungen.

Gekommen ist die schöne Stunde;
Er trägt sie durch des Feuers Wut,
Raubt manchen Kuß dem schönen Munde,
Weckt ihres Busens tiefste Glut.
Möcht sterben jetzt in ihren Armen,
Möcht alles geben! ihr, verarmen,
Zu anderm Leben nie erwarmen.

Die eilenden Minuten fliehen
Er merket die Gefahren nicht,
Und fühlt nur ihre Wange glühen;
Doch sie, sie träumet länger nicht,
Sie reißt sich von ihm los mit Beben,
Er sieht sie durch die Hallen schweben.
Verhaucht ist der Minute Leben.

Mit sehnsuchtsvollem, krankem Herzen
Eilt Juan durch die Hallen hin.
In Wonne Gram und süße Schmerzen
Versinket ganz sein irrer Sinn,
Er wirft sich auf sein Lager nieder,
Und holde Träume zeigen wieder
Ihm ihr geliebtes, holdes Bild.

Die Sonne steiget auf und nieder;
Doch Abend bleibt's in seiner Brust.
Es sank der Tag ihm, kehrt nicht wieder,
Und sie, nur sie ist ihm bewußt,
Und ewig, ewig ist gefangen
Sein Geist im quälenden Verlangen
Sie, wachend träumend anzuschaun.

Und da er wacht aus seinem Schlummer
Ist's ihm, als stieg' er aus der Gruft,
So fremd und tod; und aller Kummer
Der mit ihm schlief erwacht und ruft:
O weine! sie ist dir verloren
Die deine Liebe hat erkoren
Ein Abgrund trennet sie und dich!

Er rafft sich auf mit trüber Seele
Und eilt des Schlosses Gärten zu;
Da sieht er, bei der Mondeshelle,
Ein Mädchen auf ihn eilen zu.
Sie reicht ein Blatt ihm und verschwindet,
Eh er zu fragen Worte findet,
Er bricht die Siegel auf und liest:

»Entfliehe! Wenn dies Blatt gelesen
Du hast, und rette so dich mir.
Mir ist, als sei ich einst gewesen,
Die Gegenwart erstirbt in mir,
Und lebend ist nur jene Stunde,
Sie spricht mir mit so süßem Munde,
Von dir, von dir, und stets von dir.«

Er liest das Blatt mit leisem Beben
Und liebt's, und drückt es an sein Herz.
Gewaltsam teilet sich sein Leben
In große Wonne - tiefen Schmerz.
Sollt er die Teuerste nun meiden?
Kann sie dies Trauern ihm bereiten!
Soll er sie nimmer wieder sehn?

Er geht nun, wie sie ihm geboten;
Da trifft ein Mörderdolch die Brust.
Doch steigt er freudig zu den Toten,
Denn der Erinn'rung süße Lust
Ruft ihm herauf die schönste Stunde,
Er hänget noch an ihrem Munde;
Entschlummert sanft in ihrem Arm.

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