GedichtGedichte

Das Gedicht „Einsamkeit“ stammt aus der Feder von Ludwig Tieck.

Der ist nicht einsam, der noch Schmerzen fühlet,
Verlassen von den Freunden und der Welt,
Wenn er die heiße Angst in Trauer kühlet,
Und des Verlustes Bild im Herzen hält,
Vergangenheit noch kindlich um ihn spielet
Und Zukunft ihren Spiegel vor ihn stellt:
Dem sind die Schmerzen Freunde wie die Tränen,
Und er genießt sich selbst im stillen Sehnen.

Doch wenn das Herz entfremdet fühlt die Lieben,
Durch Missverständnis von ihm abgewandt,
Dann muß der Mensch sich inniglich betrüben,
Dann wandert er aus seinem Vaterland,
Und keine Stätt' ist ihm, kein Heil geblieben;
Er ist von Tempel, Weib und Kind verbannt,
Wohin er schaut, ist ihm die Welt getrennt,
Und feindlich dräut ihm selbst das Element.

Dann fühlt das Herz den Todesdruck der Schwere,
Und um sich ausgestorben die Natur;
Rings Einsamkeit, und dunkle wüste Leere
Zieth sich durch Tal und Wald und grüne Flur;
Die Freunde waren, stehn im Feindesheere,
Der wilde Haß verfolget seine Spur,
Die innre Liebe strebt empor zu flammen,
Doch drückt die schwarze Nacht das Licht zusammen.

Dann bin ich fern im Tode fest verschlossen,
Ich höre keinen Ton, der zu mir dringt,
Und Freud' und Schmerz sind aus der Brust geflossen,
Die in sich selbst in tiefsten Ängsten ringt,
Auch kein Erinnern des, was sie genossen,
In ihrer tauben Leere wiederklingt,
Und höhnend ruft der innre böse Feind:
Genüge dir, so wie du sonst gemeint!

Ich bin gefangen, seufzt die arme Seele,
Bedarf wohl deren, welche mich verstehn;
Doch wenn ich mich so stumm verlassen quäle,
So muß ich in mir selbst zu Grunde gehn.
Was frommt es, wenn ich dir den Wunsch verhehle?
Ich muß mein Licht in andern Augen sehn;
Mit jenen eins, bin ich von dir befreiet,
Mit mir allein, bin ich mir selbst entzweiet.

Mit ihnen seh' ich die mir abwärts neigen,
Die von der toten Welt sich schon geschieden,
Und die ich seelig fühlte stets mein eigen;
Von Wald und Flur und Tal bin ich vermieden,
Die Blumen wollen sich nicht freundlich zeigen,
Die Sterne gönnen mir nicht mehr den Frieden,
Natur, die heil'ge, zieht sich weit zurücke,
Ich flehe wohl, sie sieht nicht meine Blicke.

Das Unsichtbare, das ich in mir hegte,
Die alte Zeit, die Liebe zu dem Hohen,
Der Glaub' an Kunst, den ich so innig pflegte,
Ist alles mit der Liebe weit entflohen;
Was herzlich sich mir an die Seele legte,
Wird sichtbarlich und will mir furchtbar drohen:
O Jammer! was ich ewig stets genannt,
Steht wild und zeitlich vor mir hingebannt!

Versteinert sieht es starr mir in die Blicke,
Was geistersüß die Seele quillend stillte,
In Steinen liegt umher mein kindlich Glücke,
Was sonst in schnellen Blitzen sich enthüllte;
Die liebsten Kinder können nicht zurücke,
Das Mutterherz verstummt, und an dem Bilde
Erstarrt es selbst und wird zu wildem Stein,
Die tiefe Trau'r sinkt in sich selbst hinein.

Wenn dann die Seele hat den Fels empfunden,
Druckt sie durch alle Sinnen wie sie zürne.
Im Herzen werden Schmerzen dann entbunden,
Die Augen saugen Fluten aus der Stirne,
Und in den Tränen bluten alle Wunden.
Voll Mitleid neigen wieder die Gestirne,
Im ew'gen Schmerz verstummet das Verheerende,
Es löscht der Strom das Feuer, das verzehrende,
Belebt die Ewigkeit sich, die verklärende.

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