GedichtGedichte

Das Gedicht „Es fügt sich“ stammt aus der Feder von Oswald von Wolkenstein.

I
Es fügt sich, do ich was von zehen jaren alt,
ich wolt besehen, wie die werlt wer gestalt.
mit ellend, armüt mangen winkel, haiss und kalt,
hab ich gebawt bei cristen, Kriechen, haiden.
Drei pfenning in dem peutel und ain stücklin brot,
das was von haim mein zerung, do ich loff in not.
von fremden freunden so hab ich manchen tropfen rot
gelassen seider, das ich wand verschaiden.
Ich loff ze füss mit swerer büss, bis das mir starb
mein vatter, zwar wol vierzen jar nie ross erwarb,
wann aines roupt, stal ich halbs zu mal mit valber varb,
und des geleich schied ich da von mit laide.
Zwar renner, koch so was ich doch und marstaller,
auch an dem rüder zoch ich zu mir, das was swer,
in Kandia und anderswo, ouch widerhar,
vil mancher kittel was mein bestes klaide.

II
Gen Preussen, Littwan, Tartarei, Türkei, uber mer,
gen Frankreich, Lampart, Ispanien, mit zwaien kunges her
traib mich die minn auf meines aigen geldes wer:
Ruprecht, Sigmund, baid mit des adlers streiffen.
franzoisch, mörisch, katlonisch und kaftillan,
teutsch, latein, windisch, lampertisch, reuschisch und roman,
die zehen sprach hab ich gebraucht, wenn mir zerran;
auch kund ich fidlen, trummen, paugken, pfeiffen.
Ich hab umbfarn insel und arn, manig land,
auff scheffen gros, der ich genos von sturmes band,
des hoch und nider meres gelider vast berant;
die swarzen see lert mich ain vas begreiffen,
Do mir zerbrach mit ungemach mein wargatein,
ain koufman was ich, doch genas ich und kom hin,
ich und ain Reuss; in dem gestreuss houbgüt, gewin,
das sücht den grund und swam ich zu dem reiffen.

III
Ain künigin von Arragon, was schon und zart,
da für ich kniet, zu willen raicht ich ir den bart,
mit hendlein weiss bant si darein ain ringlin zart
lieplich und sprach: „non maiplus dis ligaides.“
Von iren handen ward ich in die oren mein
gestochen durch mit ainem messin nädelein,
nach ir gewonheit sloss si mir zwen ring dorein,
die trüg ich lang, und nennt man si raicades.
Ich sücht ze stund künig Sigmund, wo ich in vand,
den mund er spreutzt und macht ain kreutz, do er mich kant,
der rüfft mir schier: „du zaigest mir hie disen tant,“
freuntlich mich fragt: „tün dir die ring nicht laides?“
Weib und ouch man mich schauten an mit lachen so;
neun personier kungklicher zier, die waren da
ze Pärpian, ir babst von Lun, genant Petro,
der Römisch künig der zehent und die von Praides.

IV
Mein tummes leben wolt ich verkeren, das ist war,
und ward ain halber beghart wol zwai ganze jar;
mit andacht was der anfangk sicherlichen zwar,
hett mir die minn das ende nicht erstöret.
Die weil ich rait und füchet ritterliche spil
und dient zu willen ainer frauen, des ich hil,
die wolt mein nie genaden ainer nussen vil,
bis das ain kutten meinen leib bedoret.
Vil manig ding mir do gar ring zu handen ging,
do mich die kappen mit dem lappen umbefing.
zwar vor und leit mir nie kain meit so wol verhing,
die mein wort freuntlich gen ir gehöret.
Mit kurzer schnür die andacht für zum gibel aus,
do ich die kutt von mir do schutt in nebel rauss,
seid hat mein leib mit leid vortreib vil mangen strauss
gelitten, und ist halb mein freud erfröret.

V
Es wer zu lang, solt ich erzellen all mein not,
ja zwinget mich erst ain ausserweltes mündli rot,
da von mein herz ist wunt bis in den bittern tod;
vor ir mein leib hat mangen swaiss berunnen.
Dick rot und blaich hat sich verkert mein angesicht,
wann ich der zarten dieren hab gewunnen phlicht,
vor zittern, seufzen hab ich offt emphunden nicht
des leibes mein, als ob ich wer verbrunnen.
Mit grossem schrick so bin ich dick zwaihundert meil
von ir gerösst und nie getrösst zu kainer weil;
kelt, regen, snee tet nie so we mit frostes eil,
ich brunne, wenn mich hitzt die liebe sunne.
Won ich ir bei, so ist unfrei mein mitt und mass.
von ainer frauen so müss ich pawen ellend strass
in wilden rat, bis das genadt lat iren hass,
und hulf mir die, mein trauren käm zu wunne.

VI
Vierhundert weib und mer an aller manne zal
vand ich ze Nio, die wonten in der insell smal;
kain schöner pild besach nie mensch in ainem sal,
noch mocht ir kaine disem weib geharmen.
Von der ich trag auff mein rugk ain swere hurd,
ach got, wesst si doch halbe meines laides burd,
mir wer vil dester ringer offt, wie we mir wurd,
und het geding, wie es ir müsst erbarmen.
Wenn ich in ellend dick mein hend offt winden müss,
mit grossem leiden tün ich meiden iren grüss,
spat und ouch frü mit kainer rü so slaff ich süss,
das klag ich iren zarten weissen armen.
Ir knaben, maid, bedenckt das laid, die minne phlegen,
wie wol mir wart, do mir die zart bot iren segen.
zwar auff mein er, wesst ich nicht mer ir wider gegen,
des müsst mein oug in zähern dick erbarmen.

VII
Ich han gelebt wol vierzig jar leicht minner zwai
mit toben, wüten, tichten, singen mangerlai;
es wer wol zeit, das ich meins aigen kindes geschrai
elichen hort in ainer wiegen gellen.
So kan ich der vergessen nimmer ewiklich,
die mir hat geben mut uff disem ertereich;
in aller werlt kund ich nicht finden iren gleich,
auch fürcht ich ser elicher welbe bellen.
In urtail, rat vil weiser hat geschätzet mich,
dem ich gevallen han mit schallen liederlich.
ich, Wolkenstein, leb sicher klain vernünftiklich,
das ich der werlt also lang beginn zu hellen,
Und wol bekenn, ich wais nicht, wenn ich sterben sol,
das mir nicht scheiner volgt wann meiner berche zol.
het ich dann got zu seim gebott gedienet wol,
so forcht ich klain dort haisser flamme wellen.

Übersetzung

I
Als ich zehn Jahre alt war, fügte es sich, / (daß) ich sehen
wollte, wie die Welt beschaffen wär. / In Fremde und
Elend, in mancherlei Winkeln heiß und kalt / fand ich
Quartier bei Christen, Griechen, Heiden. / Drei
Pfennig in dem Beutel und ein Stücklein Brot, / das war
meine Wegzehrung von daheim, als ich loszog in (Kampf
und) Not. / Durch falsche Freunde hab ich viele Tropfen
Bluts / seitdem vergossen, daß ich (schon) glaubte, ich
müßte sterben. / Ich lief zu Fuß in schwerer Buße, bis mir
der Vater / starb, wahrlich, rund vierzehn Jahre lang
hatt ich kein Roß errungen / außer einem, das ich
geraubt, gestohlen, ein Maultier, dazu von falber
Farbe, / und ebenso nahm ich Abschied davon - mit
Schmer zen. / Wahrlich: Laufbursche, Koch, das war ich
noch und Pferdeknecht, / auch Ruder zog ich, das tat weh,
/ bei Kreta und anderswo, auch wieder zurück. /
Vielerlei Kittel waren meine besten Kleider.

II
Nach Preußen, Litauen, in die Tartarei, Türkei, übers
Meer, / nach Frankreich, Italien, Spanien, im Heer zweier
Könige, / trieb mich die Minne, doch zahlte ich mit
meinem eignen Geld: / Ruprecht, Siegmund, beide
mit dem Adlerwappen. / Französisch, arabisch, kata-
lanisch und spanisch, / deutsch, lateinisch, slowenisch,
italienisch, russisch und rumänisch (?), / die zehn
Sprachen habe ich benutzt, wenn Not mich zwang. / Auch
konnte ich fiedeln, trompeten, pauken, Flöte spielen. /
Ich hab umfahrn Inseln und Buchten, viele Länder, /
auf großen Schiffen, die mich retteten vor des Sturmes
Fesseln; / habe des Nord- und Südmeeres Teile gewaltig
attackiert. / Das Schwarze Meer lehrte mich ein Faß
umarmen, / als die Kogge zum Ärger mir zerbarst. /
Ein Kaufmann war ich, blieb dennoch heil und kam
davon, / ich und ein Russe; in diesem Seegefecht sank
mein Kapital, Gewinn / auf den Grund, ich aber schwamm

III
Eine Königin von Aragon war schön und lieblich, / vor ihr
kniete ich nieder, ergeben reichte ich ihr den Bart. /
Mit weißen Händlein band sie darein ein feines Ringlein /
liebenswürdig und sagte: »Non maiplus dis ligaides.« / Mit
ihren Händen hat sie meine Ohren / durchstochen mit
einem Messingnädelein, / nach ihrer Landessitte schloß
sie mir zwei Ringe darein. / Die trug ich lange, auch
nennt man sie ›raicades‹. / Ich suchte sofort König
Siegmund, wo ich ihn fand. / Der riß den Mund auf und
schlug ein Kreuz, als er mich erkannte, / gleich rief er mir
zu: »Du zeigst mir hier diesen Tand?!« / Vertraulich
fragte er mich: »Tun dir die Ringe nicht weh?« /
Frauen und auch Männer schauten mich an und lachten
dann. / Neun Personen von königlichem Rang, die waren
dort / zu Perpignan, ihr Papst von Luna, namens Pedro, /
der römische König, der zehnte, und die [Margarete]

IV
Mein törichtes Leben wollte ich ändern, das ist wahr, /
so wurde ich ein halber Begharde zwei volle Jahre
(lang). / Voll Reue war der Anfang - gewißlich wahr! -, /
hätte mir die Minne nicht das Ende zerstört. / Während
ich (umher) geritten war und Ritterspiele gesucht / und
ergeben einer Dame gedient hatte, wovon ich schweige, /
wollte diese mir nicht mal ein Quentchen Gunst
gewähren, / eh eine Kutte mich nicht zum Narren machte.
/ So manche Sachen glückten mir da ganz leicht, / als der
Kapuzenhabit mit dem Beffchen mich umfing. / Wahrlich:
zuvor und seitdem hat keine mir so viel gewährt, / die
meine Worte voll Vertrauen hat angehört. / An kurzer
Schnur war meine Reue zum Giebel rausgefahren, / als
ich die Kutte da von mir in (Nacht und) Nebel
rausschleuderte. / Seitdem hab ich beim Liebesglück
lauter Rückschläge / erlitten, und so ist meine Glut leicht
abgekühlt.

V
Es wär zu lang, würd ich (alles) aufzählen, was ich erlitten
hab. / Ja, auch jetzt noch bezwingt mich ein auser-
wähltes Mündlein rot, / wovon mein Herz verwundet ist
bis auf den bittren Tod. / Bei ihr befiel mich so mancher
Schweißausbruch. / Oft hat sich mein Angesicht mal rot,
mal bleich verfärbt, / wenn ich der Gegenwart des
holden Mädchens teilhaftig ward. / Vor Zittern, Seufzen
hab häufig ich nicht (mehr) gespürt / den eignen Leib, als
wär ich ausgebrannt. / Mit starkem Herzklopfen, so bin
ich oft zweihundert Meilen / von ihr fortgerannt und fand
(doch) nicht den geringsten Trost. / Kälte, Regen,
Schnee (gepaart) mit Frostes Kraft tat mir nie so weh,
daß ich (nicht trotzdem) brennen würde, wenn mich erhitzt
die liebe Sonne. / Bin ich bei ihr, so ist unfrei meine Mitte
(?) und mein Maß (?). / Wegen einer Dame muß ich in
Elend, Fremde und / in die Irre ziehn, bis Gunst beendet
ihren Haß. / Wenn die mir hülfe, würd mein Leid zu
Glück!

VI
Vierhundert Frauen und mehr, ohne jeden Mann, / fand
ich auf Nios, dieser kleinen Insel, wohnen: / kein Mensch
hat je ein schönres Bild in einem Saal gesehen, / doch
keine davon konnte (der Schönheit) meiner Frau einen
Tort antun. / Die hat mir eine schwere Bürde
aufgehalst. / Ach Gott, wär ihr nur halbwegs meine Last
bewußt, / sie wär mir soviel leichter oft, trotz allem
Schmerz, / und schöpfte Hoffnung, daß sie es (doch)
erbarmen würde! / Wenn ich in der Fremde so oft die
Hände ringen muß, / wenn ich unter großen
Leiden entbehren muß ihren Gruß, / wenn früh und spät
ich nie die süße Ruhe des Schlafes finde, / (dann) klag ich
dafür ihre schönen weißen Arme an. / Ihr Knaben,
Mädchen, bedenkt, welch Leid die Liebenden ertragen! /
Wie wohl mir war, als mir die Schöne ihren Segen gab! /
Ja, bei meiner Ehre: könnt ich sie nicht mehr
wiedertreffen, / das würde mein Auge oft zu Tränen
rühren.

VII
Ich hab gelebt rund vierzig Jahre - knapp weniger zwei - /
(in Kämpfen) tobend, wütend, mit Dichten, Singen man-
cherlei. / Es wär nun Zeit, daß ich das Geschrei meines
eigenen Kindes, / (eines) ehelichen, in einer Wiege
gellen hörte. / Doch nie und nimmer kann ich die
vergessen, / die mir Mut und Freude auf diesem
Erdenrund gegeben hat. / In aller Welt konnt ich keine
finden, die ihr gleichkommt. / Auch fürcht ich sehr der
Ehefraun Gekeife. / Im Gericht, Rat hat mancher
Weise mich geschätzt, / dem ich gefallen habe mit
Liedern und Gesang. / Ich Wolkenstein lebe wahrlich bar
aller Vernunft, / daß ich dieser Welten (Lied) so lange
schon mitsinge. / Und klar erkenne: ich weiß nicht, wann
ich sterben muß, / (auch) daß mir nichts Sicht-
bareres folgt als meiner Werke Lohn. / Hätte ich dann
Gott nach seinem Gebot recht gedient, / so würde ich
kaum dort (in der Hölle) das Lodern heißer Flammen
fürchten!

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