GedichtGedichte

Das Gedicht „Frölich, zärtlich, lieplich und klärlich“ stammt aus der Feder von Oswald von Wolkenstein.

Frölich, zärtlich, lieplich und klärlich
lustlich, stille, leise,
in senfter, süesser, keuscher, sainer weise
wach, du minnikliches, schönes weib,
reck, streck, preis dein zarten, stolzen leib!
Sleuss auff dein vil liechte euglin klar!
taugenlich nim war,
wie sich verschart der sterne gart
in der schönen, haitern, klaren sunnen glanz!
wolauff zue dem tanz!
machen ainen schönen kranz
von schaunen, praunen, plawen, grawen,
gel, rot, weiss, viol plüemlin spranz.

Lunzlocht, munzlocht, klunzlocht und zisplocht,
wisplocht, freuntlich sprachen
auss waidelichen, gueten, rainen sachen
sol dein pöschelochter, roter munt,
der ser mein herz tiefflich hat erzunt
Und mich fürwar tausent mal erweckt,
freuntlichen erschreckt
auss slaffes traum, so ich ergaum
ain so wolgezierte, rote, enge spalt,
lächerlich gestalt,
zendlin weiss darin gezalt,
trielisch, mielisch, vöslocht, röslocht,
hel zu fleiss waidelich gemalt.

Wolt si, solt si, tät si und käm si,
näm si meinem herzen
den senikleichen, grossen, herten smerzen,
und ain prüstlin weiss darauff gesmuckt,
secht, slecht wär mein trauren da verruckt.
Wie möcht ain zart seuberliche diern
tröstlicher geziern
das herze mein an allen pein
mit so wunniklichem, lieben
rainen lust?
mund mündlin gekust,
zung an zünglin, prüstlin an prust,
pauch an peuchlin,
rauch an reuchlin
snell zu fleiss allzeit frisch getust.

Übersetzung

Fröhlich, zärtlich, lieblich und klärlich, anmutig, still und leise,
in sanfter, süßer, keuscher, träger Weise
erwache, du liebenswertes, schönes Weib,
reck, streck, zeig deinen zarten, prächtigen Leib!
Schließ auf deine hellen Äuglein so klar!
Heimlich nimm′s wahr,
wie sich verliert der Sternengarten
in der schönen, heitren, klaren Sonne Glanz.
Wohl auf zum Tanz!
Flicht uns einen schönen Kranz
der leucht von braunen, blauen, grauen,
gelb-rot-weißen,
violetten Blümlein ganz.

II
Sanft sich öffnen, schmeicheln, lispeln, wispern, flüstern in süßen Sprachen
von ergötzlichen, guten, reinen Sachen
soll dein voller roter Mund
der so lieblich mein Herz hat entzündet
und mich fürwahr schon tausendmal geweckt,
freundlich aufgeschreckt
aus des Schlafes Traum, wenn ich geschaut
einen so wohlgeformten, roten, engen Spalt,
in des Lächelns Gestalt,
Zähnchen weiß darin gereiht,
Lippen nippen koslich roslich,
sind so hell,
herrlich hingemalt.

III
Wollt sie, sollt sie, würd sie und käm sie, nähm sie meinem Herzen
die sehnsuchtsvollen, großen, harten Schmerzen,
und ein Brüstlein weiß darauf gedrückt,
seht, so leichthin wär mein Trauern ferngerückt.
Wie könnt ein zartes, liebes Mädchen
fröhlicher wohl schmücken
das Herze mein ohn arge Pein
mit so wonnevoller, zarter, reiner Lust?
Mund Mündlein geküsst,
Zung an Zünglein, Brüstlein an Brust,
Bauch an Bäuchlein, Busch an Büschlein,
schnell mit Eifer
nur munter gedrückt.

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