GedichtGedichte

Das Gedicht „Frühling“ stammt aus der Feder von Sophie Mereau.

I.

Düfte wallen - tausend frohe Stimmen
jauchzen in den Lüften um mich her;
die verjüngten trunknen Wesen schwimmen
aufgelös't in einem Wonnemeer.

Welche Klarheit, welches Licht entfließet
lebensvoll der glühenden Natur!
Festlich glänzt der Äther, und umschließet,
wie die Braut der Bräutigam, die Flur.

Leben rauscht von allen Blütenzweigen,
regt sich einsam unter Sumpf und Moor,
quillt, so hoch die öden Gipfel steigen,
emsig zwischen Fels und Sand hervor.

Welch ein zarter wunderbarer Schimmer
überstrahlt den jungen Blütenhain!
Und auf Bergen, um verfallne Trümmer,
buhlt und lächelt milder Sonnenschein.

Dort auf schlanken silberweißen Füßen
weht und wogt der Birken zartes Grün,
und die leichten hellen Zweige fließen
freudig durch den lauen Luftstrom hin.

In ein Meer von süßer Lust versenket,
wallt die Seele staunend auf und ab,
stürzt, von frohen Ahndungen getränket,
sich im Taumel des Gefühls hinab.

Liebe hat die Wesen neu gestaltet;
ihre Gottheit überstrahlt auch mich,
und ein neuer üpp'ger Lenz entfaltet
ahndungsvoll in meiner Seele sich.

Lass an deine Mutterbrust mich sinken,
heil'ge Erde, meine Schöpferin!
Deines Lebens Fülle laß mich trinken,
jauchzen, daß ich dein Erzeugter bin!

Was sich regt auf diesem großen Balle,
diese Bäume, dieser Schmuck der Flur:
Einer Mutter Kind sind wir alle,
Kinder einer ewigen Natur.

Sind wir nicht aus Einem Stoff gewoben?
Hat der Geist, der mächtig sie durchdrang,
nicht auch mir das Herz empor gehoben?
tönt er nicht in meiner Leier Klang?

Was mich so an ihre Freuden bindet,
daß mit wundervoller Harmonie,
meine Brust ihr Leben mitempfindet,
ist, ich fühl' es, heil'ge Sympathie!

Schwelge, schwelge, eh' ein kalt Besinnen
diesen schönen Einklang unterbricht,
ganz in Lust und Liebe zu zerrinnen,
trunknes Herz, und widerstrebe nicht.

II.

Wie die Zweige sich wölben!
Blüten und Blumen sich drängen,
Rosen den Äther umwallen!
Mutter Natur, wie schön bist du!

Wie die Vögelein schwärmen!
Käfer mich fröhlich umsummen!
Fische im Abendglanz spielen!
Holde Freiheit, wie süss bist du!

Wie die Täubelein girren!
Schwalben ihr Nestchen sich bauen,
kleine Würmchen sich suchen!
Liebe, Liebe, ich ahnde dich!

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