GedichtGedichte

Das Gedicht „Sehnsucht“ stammt aus der Feder von Johann Wolfgang von Goethe.

1770

Dies wird die letzte Trän nicht sein,
Die glühend herzauf quillet,
Das mit unsäglich neuer Pein
Sich schmerzvermehrend stillet.

O! laß doch immer hier und dort
Mich ewig Liebe fühlen,
Und möcht der Schmerz auch also fort
Durch Nerv' und Adern wühlen.

Könnt ich doch ausgefüllt einmal
Von dir, o Ewger! werden -
Ach, diese lange, tiefe Qual,
Wie dauert sie auf Erden!

1802

Was zieht mir das Herz so?
Was zieht mich hinaus?
Und windet und schraubt mich
Aus Zimmer und Haus?
Wie dort sich die Wolken
Um Felsen verziehn!
Da möcht ich hinüber,
Da möcht ich wohl hin!

Nun wiegt sich der Raben
Geselliger Flug;
Ich mische mich drunter
Und folge dem Zug.
Und Berg und Gemäuer
Umfittichen wir;
Sie weilet da drunten;
Ich spähe nach ihr.

Da kommt sie und wandelt;
Ich eile sobald,
Ein singender Vogel,
Zum buschigen Wald.
Sie weilet und horchet
Und lächelt mit sich:
»Er singet so lieblich
Und singt es an mich.«

Die scheidende Sonne
Verguldet die Höhn;
Die sinnende Schöne,
Sie läßt es geschehn.
Sie wandelt am Bache
Die Wiesen entlang,
Und finster und finstrer
Umschlingt sich der Gang;

Auf einmal erschein ich,
Ein blinkender Stern.
»Was glänzet da droben,
So nah und so fern?«
Und hast du mit Staunen
Das Leuchten erblickt;
Ich lieg dir zu Füßen,
Da bin ich beglückt!

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