GedichtGedichte

Das Gedicht „Goethe’s Osterie in Rom“ stammt aus der Feder von Wilhelm Müller.

Freunde, wohin steht der Sinn?
Nach dem Neuen, nach dem Alten?
Gönnt mir heut' 'mal freies Schalten,
Weil ich just bei Laune bin.

Steckt nur keinen Vasi ein,
Keine Pläne laßt mich wittern,
Wollt ihr mich nicht recht erbittern:
Ich will euer Führer sein.

An dem Kapitol vorbei —
Soll es nach dem Forum gehen? —
Fort und fort, nicht umgesehen
Nach dem Kaiserkonterfei! —

Zum Theater des Marzell
Mit dem schwarzen Adlerschilde?
Führst du uns zur Judengilde? —
Aufgeschaut, wir sind zur Stell'!

Seht die grünen Reiser hie
Und das Bild der goldnen Glocke!
Sagt nicht, daß ich euch verlocke,
Klassisch ist die Osterie.

Klassisch jedes Bechers Rand,
Klassisch Boden, Tisch und Bänke:
Wißt, es wird die Glockenschenke
Goethe's Schenke zugenannt!

Zecher, schließt das heil'ge Rund!
Wein, Herr Wirth, vom allerbesten,
Gläser von den allergrößten,
Flaschen mit weitoffnem Mund!

Solches heischt des Festes Lust,
Das wir heute hier begehen:
Soll's nicht im Kalender stehen,
Steht es doch in unsrer Brust.

Stoßt die ersten Becher an!
Hei, wie innig sie erklingen!
Noch ein Stoß! dem wir sie bringen,
Hat's nicht sanfter hier getan.

War ja stets dem Halben gram,
Und somit auch halben Flaschen,
Allem Liebeln, Skribeln, Naschen
Und dem Anthologenkram.

Aus des Lebens vollem Flor,
Aus der Erde tiefem Herzen
Sog er alle Lust und Schmerzen,
Keinen Tropfen er verlor.

Hier im Haus ist er Patron,
Paul und Peter wird's nicht wehren,
Und nach unsres Heil'gen Lehren
Müßt ihr's treiben heute schon.

Sitzt kein Liebchen mir zur Hand,
Dass wir mit dem Saft der Reben
Auf dem Tisch uns Zeichen geben?
Er macht' uns die Kunst bekannt.

Elegia horcht am Tor,
Was die deutschen Zecher singen,
Ob sie ihr wohl Kunde bringen
Von dem Gast, den sie verlor.

Oftmals schleicht sie hier umher,
Wo sie ihn so gern gefunden
In den kühlen Abendstunden,
Und ihr Blick ist tränenschwer.

Quod amamus weit und breit!
Ist es nicht am Tiberstrande,
Die ich lieb' im Vaterlande,
Dieses Glas ist ihr geweiht.

Treuer Sinn gibt hellen Klang!
Wenn wir hoch die Becher schwingen,
Mag's ihr durch die Seele dringen
Mit Musik und Jubelsang!

Und wer den Pluralis übt,
Leert für Jede einen Becher,
Weil man nur dem weiten Zecher
Auch ein weites Herz vergibt.

Neue Flaschen auf den Platz!
Sind wir mit dem Vivat fertig,
Seid des Pereats gewärtig,
All' ihr Brüder Goliaths!

Goethe, großer General,
Laß dich unsern Simson nennen,
Der du ihre Saat verbrennen
Tatst so kecklich allzumal.

Pereat, wen das verdrießt!
Und, soll's toleranter klingen,
Pereat vor allen Dingen.
Wer statt Kerns die Schale frißt!

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