GedichtGedichte

Das Gedicht „Herr von Ribbeck auf Ribbeck“ stammt aus der Feder von Theodor Fontane.

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
ein Birnbaum in seinem Garten stand,
und kam die goldne Herbsteszeit
und die Birnen leuchteten weit und breit,
da stopfte, wenn′ s Mittag vom Turme scholl,
der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
und kam in Pantinen ein Junge daher,
so rief er: "Junge, wiste ′ ne Beer?"
Und kam ein Mädchen, so rief er: "Lütt Dirn,
kumm man röwer, ick hebb ′ ne Birn."

So ging es viel Jahre, bis lobesam
der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. ′ s war Herbsteszeit,
wieder lachten die Birnen weit und breit,
da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage darauf aus dem Doppeldachhaus
trugen von Ribbeck sie hinaus,
alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
sangen: "Jesus meine Zuversicht",
und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He ist dod nu. Wer giwt uns nu ′ ne Beer?"

So klagten die Kinder. Das war nicht recht,
ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht,
der neue freilich, der knausert und spart,
hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn,
der wußte genau, was er damals tat,
als um eine Birn′ ins Grab er bat,
und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
uind in der goldnen Herbsteszeit
leuchtet′ s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung′ übern Kirchhof her,
da flüstert′ s im Baume: "Wiste ′ ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert′ s: "Lütt Dirn,
kumm man röwer, ick gew di ′ ne Birn."
So spendet Segen noch immer die Hand
des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Analyse

Die Ballade "Herr von Ribbeck" (1889; Epoche des Realismus) besteht aus 4 Strophen mit je 10 Versen, nur die zweite Strophe hat 12 Zeilen. Sie ist in Paarreimen (Knittelvers) gedichtet. Metrum: jeder Vers hat 4 Hebungen mit freien Senkungsfüllungen. Das bedeutet, dass es einheitlich pro Vers 4 betonte Silben gibt und der Raum dazwischen sowie vor der ersten Hebung mit ein bis zwei unbetonten Silben in freier Verteilung gefüllt ist.

Inhalt / Zusammenfassung

Das Gedicht erzählt von einem Angehörigen des niederen deutschen Adels, der im Titel genannt wird. Von Ribbeck wird als sanftmütig und großzügig beschrieben; er verschenkt oft Birnen von seinen Birnbäumen an vorbeigehende Kinder und spricht sie in einem freundlichen brandenburgischen Dialekt an.
Aber er weiß, dass sein Sohn und Erbe ein Geizhals ist; als von Ribbeck sein Ende nahen sieht, bittet er darum, dass man ihm eine Birne ins Grab legt. Diese Birne wächst schnell zu einem Birnbaum heran, der nun die Kinder kostenlos mit Birnen versorgt und so das Erbe des verstorbenen von Ribbeck bewahrt.

Hintergrund

Das reale Vorbild ist Hans Georg von Ribbeck (1689–1759). Dessen Geschichte erschien erstmals im Sammelband "Sagen aus der Grafschaft Ruppin" (1887) von Karl Eduard Haase. Aus der Gruft derer von Ribbeck wuchs, bis er 1911 von einem Sturm entwurzelt wurde, tatsächlich ein Birnbaum, dessen Stumpf heute in der Dorfkirche von Ribbeck (Ortsteil der Stadt Nauen in Brandenburg) aufbewahrt wird.

Siehe auch: Der alte Birnbaum — Hauptmann.

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