GedichtGedichte

Das Gedicht „Herzblut“ stammt aus der Feder von Ada Christen.

I.

O könnt' ich Alles geben,
   Was dieses Herz bewegt,
Und all die tausend Gedanken,
   Die wüst mein Schädel hegt!

Es dränget heiß zur Lippe,
   Was mir das Herz zerbricht;
Ich kenn' es, ach, ich fühl es -
   Doch sagen kann ich's nicht!

II.

Es fragen mich die Menschen,
   Was mich so elend gemacht
Ich sag' euch, ich habe mein Elend
   Mit auf die Welt gebracht.

Es liegt in meinem Fühlen
   In dem halbentfesselten Geist,
Der aufwärts will und den Alles
   Zur Erde doch wieder reißt.

III.

Ich blickte jüngst in mich -
   So recht in's Herz hinein
Und glaubte noch etwas zu finden
   Von dem, was einstens mein.

Ich sah mein verlorenes Eden,
   Mein versunkenes Paradies,
Mich selbst den gefallenen Engel,
   Den Himmel und Erde verstieß.

IV.

Ach nur einmal möcht ich sinken
   Noch in deine Arme hin,
Und nur einmal noch vergessen
   Was ich war und was ich bin!

Ach nur einmal so dich sehen
   Wie du einst gewesen bist;
Und dann Alles wieder leiden,
   Was schon war und was noch ist.

V.

Nur eine Träne gebt mir wieder,
   Nur eine einz'ge will ich haben!
Mit dieser Träne aber will
   Das todeskranke Herze laben.

In diese Träne will ich senken,
Mein ganzes namenloses Weh,
Mit dieser Träne will ich sagen,
   Was ich stets fühl' und kaum versteh'!

VI.

Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt,
   Athmet in der Trunkenheit
   Einer Liebe, die befreit,
Die begeistert, die erhebt!
Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt,
   Athmet in Versunkenheit
      Einer Liebe, die entweiht,
An der Schmach und Elend klebt!

VII.

Von dem, was ich besessen,
   Ist wenig mir geblieben,
Von meinem süßen Träumen,
   Von Glauben, Hoffen, Lieben!

Nur schmerzliches Erinnern
   Ist's, was das Herz behielt,
Verachtung, Haß und Träne -
   Und eines Mannes Bild.

VIII.

»Heut haben wir schönes Wetter.«
   »O ja, recht schönes, mein Herr!«
Das sind so unsre Gespräche,
   So kalt, so dumm, so leer.

Du streichelst mir fragend die Wange,
   Du kennst das gewisse Rot;
Für dich ist's nichts als Schminke -
   Für mich: in der Brust der Tod.

IX.

Ich hab' in langen Tagen
   Gar oft an dich gedacht,
Ich hab' in langen Nächten
   Gehofft, geweint, gewacht.

Wie einstmals sitz' ich wieder
   Beim abgebrannten Licht;
Ich wache - aber hoffen
   Und weinen kann ich nicht.

X.

Ich weinte um den Frühling -
   Ich Törin!
Ich weinte um die Blumen,
Die alle verblüht und verwelkt -
   Ich Törin!
Wer weint um meine Jugend?
Wer weint um meine Träume? - -

XI.

Sieh', in dies dein treues Bildnis
   Möcht ich mich so ganz versenken;
Könnt' ich, ach! dem Bilde doch
   Atem, Leben, Sprache schenken!

Könnt' ich in die kalten Formen
   Glut und Blut und Liebe gießen,
Könnt ich diese lieben Hände
   Heiß zu heißem Drucke küssen! -

Ach, ich kann es nicht. Es bleibet
   Kalt und stumm in stolzer Ruh'!
Aber du bist gut getroffen:
   Denn es ist so ganz wie du!

XII.

Wenn ich ihn manchmal sah,
   Hab' ich gezittert, gebangt;
Und dennoch wieder hab' ich
   Nur ihn zu sehen verlangt.

Und wenn er im Vorbeigehen
   Nur leicht mein Kleid berührt,
Hab ich noch lang darüber
   Mit den Blumen diskutiert.

XIII.

Da sprach er so lieb und so freundlich,
   So zärtlich, gütig und mild;
Man konnte beinahe glauben,
   Er hab' auch Alles gefühlt.

Doch plötzlich dieser Blick,
   Dies Lächeln - o mein Gott!
Dies höhnische Kompliment -
   Ich wollt', ich wäre tot!

XIV.

Ach ja, es ist nur allzu wahr,
   Was nützt dir mein Lieben und Leben,
Und würd ich aus den Adern
   Mein rotes Blut dir geben.

Blut ist Blut und bleibt es,
   Und wird ja nie zu Geld,
Und Geld gehört zum Leben:
   Das ist der Lauf der Welt.

Mein Leben nützt dir nichts;
   Bezahlte man mich für's Sterben,
Ich stürbe ja gerne morgen
   Um alles dir zu vererben.

XV.

Ich sehne mich nach wilden Küssen,
   Nach wollustheißen Fieberschauern;
Ich will die Nacht am hellen Tag
   Nicht schon in banger Qual durchtrauern.

Noch schlägt mein Herz mit raschem Drang,
   Noch brennt die Wang' in Jugendgluten -
Steh' still, lösch' aus mit einem Mal!
   Nur nicht so tropfenweis verbluten.

XVI.

Wie unglücklich hast du mich gemacht!
   Und doch, ich kann dich nicht lassen;
Ich liebe dich stets mehr und mehr -
   Und sollte dich endlos hassen.

Mein letzter Stern ging unter,
   Als du dich von mir gewandt:
Da bin ich mit vollem Herzen
   In's leere Leben gerannt.

XVII.

»Dein Vers hat nicht das rechte Maaß,«
   So will man mich verweisen,
»An Fluß und Glätte fehlt es ihm« -
   Und wie sie's sonst noch heißen.

Sie zählen an den Fingern ab,
   Verbessern wohl zehnmal wieder;
Ich leg' die Hand auf mein blutendes Herz:
   Was das sagt, schreib' ich nieder.

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