GedichtGedichte

Das Gedicht „Heidelberg“ stammt aus der Feder von Friedrich Hölderlin.

Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brücke,
Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt' ein Zauber einst
Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging,
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne schien,

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
Liebend unterzugehen,
In die Fluten der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
All ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,
Von den Wettern zerrissen;
Doch die ewige Sonne goß

Ihr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünte lebendiger
Efeu; freundliche Wälder
Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,
Deine fröhlichen Gassen
Unter duftenden Gärten ruhn.

Analyse

Die Ode "Heidelberg" (um 1801; Epoche der Klassik) besteht aus 8 Strophen mit je 4 Versen. Ein Reimschema lässt sich nicht ausmachen. Das Metrum zeigt in allen Versen einen Wechsel von Trochäen und Daktylen.
Das antike asklepiadeische Versmaß der Ode, ein Gebilde hoher Künstlichkeit, scheint dem Wunsch zu widersprechen, ein „kunstlos Lied“ (Vers 2) zu schreiben.

Hintergrund

Heidelberg ist eine Großstadt mit knapp 160.000 Einwohnern im Bundesland Baden-Württemberg. Die Stadt liegt am Neckar dort, wo dieser den Odenwald verlässt und in den Oberrheingraben eintritt. Die ehemalige kurpfälzische Residenzstadt ist bekannt für ihre malerische Altstadt, ihre Schlossruine und ihre Ruprecht-Karls-Universität, die die älteste Hochschule auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands ist.

Hölderlin besuchte Heidelberg als Achtzehnjähriger, am 3. Juni 1788, auf seiner ersten Reise über die engere Heimat hinaus.
Ein zweites Mal verweilte er dort im Juni 1795, als er die Universität Jena fluchtartig verlassen hatte – wohl unter anderem wegen des Gefühls einer erdrückenden Übermacht Friedrich Schillers und Johann Gottlieb Fichtes.

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