GedichtGedichte

Das Gedicht „Aus der Vorzeit“ stammt aus der Feder von Friedrich Gottlieb Klopstock.

In dem Maie war ihr eben das zwölfte Jahr
Mit dem Morgen dahin geflohn.
Dreizehn Jahre, nun sie fehlten den siebzigen,
Die den Frühling er wiedersah.
Schön war die Laube, der Baum neben der Laube schön;
Blüte duftete gegen sie.
Konnt′ er es ahnden? Er saß glühend vor Fröhlichkeit,
Bei dem Reh in der Laube Duft,
Zittert′ , ahndete nichts, Hell war ihr schwarzes Aug′ ,
Als zuvor er es niemals sah;
Bald verstummt′ er nicht mehr, stammelte, redete,
Kosete, blickte begeisterter.

"Diesen Finger, nur ihn … Schlank ist dein Wuchs, und leicht
Senket der Tritt sich der gehenden.
Ach den kleinen, nur ihn … Rötlich die Wang, und doch
Ist die Lippe noch lieblicher!
Diesen schönsten, nur ihn gib mir!" Sie gab zuletzt
Alle Finger dem flehenden,
Zögerte länger nicht mehr, wandte sich, sagt′: Ich bin
Ganz dein! Leise dem glücklichen.
Ida′ s Stimme war Luft, Ida, du atmetest
Leichte Töne, die zauberten.
Küsse kannt′ er noch nicht; aber er küsst′ ihr doch
Schnell die lebenden Blicke weg.
Und nun bleiben sie stehn, schweigen. Die Schwester ruft
In den kühleren Schattengang.

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