GedichtGedichte

Das Gedicht „Prometheus“ stammt aus der Feder von Johann Wolfgang von Goethe.

Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.

Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war,
Nicht wußte, wo aus noch ein,
Kehrt ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber war
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?

Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?

Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Blütenträume reiften?

Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

Analyse

Die Hymne "Prometheus" (1772-1774; Epoche des Sturm und Drang) besteht aus 7 Strophen mit einer unregelmäßigen Verseinteilung. Insgesamt besteht das Gedicht aus 58 Versen, die kein einheitliches Metrum aufweisen. Es ist reimlos in freien Rhythmen geschrieben. Die vielen Unregelmäßigkeiten in der Form spiegeln die für den Sturm und Drang typische Gefühlsbetontheit und Kühnheit des Helden wider.

Inhalt / Zusammenfassung

Prometheus wird mit "Ganymed" als Paar angesehen. Wie auch die anderen Hymnen "Mahomets Gesang", "An Schwager Kronos" entstand dieses Werk in Goethes Sturm-und-Drang-Zeit.

Prometheus wurde zunächst als Theaterstück geplant, und obwohl es unvollendet blieb, enthält es Spuren davon.

Der Protagonist ist der schöpferische und rebellische Geist, der sich, von Gott zurückgewiesen, ihm zornig widersetzt und sich durchsetzt; Ganymed ist das knabenhafte Ich, das von Gott angebetet und verführt wird. Der eine ist der einsame Trotzige, der andere der nachgiebige Gefolgsmann. Als humanistischer Dichter stellt Goethe beide Identitäten als Aspekte oder Formen des Menschseins dar.

Obwohl der Schauplatz klassisch (griechische Antike) ist, wird die Ansprache an den biblischen Gott durch den Abschnitt "Da ich ein Kind war..." angedeutet. Die Verwendung des "Da" ist markant, und Goethe erinnert damit an die lutherische Übersetzung des Ersten Korintherbriefs des Paulus, 13,11:

"Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war."

Im Gegensatz zu Paulus wuchs Goethes Prometheus zu einem Unglauben an das göttliche Herz heran, das zum Mitleid mit den Bedrängten bewegt wurde. Sein Hinweis auf die Erschaffung des Menschen nach seinem Bilde lehnt sich ironisch und stark an Luthers Übersetzung der Worte Gottes in Genesis 1,26 ("Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen ...") an.

Form

Die Form der Hymne (oder Ode) ist die lyrische Ausdrucksform, die dem Sturm und Drang am ehesten gerecht wird, denn in ihr treten mythische Figuren auf, die als Repräsentanten der Künstler dieser Zeit betrachtet werden können. Sie verkörpern das Dilemma von Kunst und Leben sowie das Überwinden von überkommenen Autoritäten.

Bei einer Hymne handelt es sich normalerweise um einen Lobgesang; dieses Prinzip wird aber hier ins Gegenteil verkehrt, denn Prometheus preist die Götter keineswegs, sondern erhebt eine Klage gegen sie, die von Vorwürfen, aber auch Spott geprägt ist.

Hintergrund

Die Figur des Prometheus (altgriechisch Promētheús, deutsch ‚der Vorausdenkende‘, ‚der Vorbedenker‘) ist eine Gestalt der griechischen Mythologie.
Prometheus gehört dem Göttergeschlecht der Titanen an. Er bringt den Sterblichen gegen den Willen Zeus das Feuer, und wird dafür auf Befehl des Göttervaters gefesselt und in der Einöde des Kaukasusgebirges festgeschmiedet. Dort sucht ihn regelmäßig ein Adler auf und frisst von seiner Leber, die sich danach stets erneuert. Erst nach langer Zeit erlöst der Held Herakles den Titanen von dieser Qual und schließlich wird er von Zeus begnadigt.

Die Hymne wurde von J. F. Reichardt, Franz Schubert (siehe "Prometheus", 1819), Hugo Wolf (1889) und F.M. Einheit (1993) vertont.

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