GedichtGedichte

Das Gedicht „Ostereier“ stammt aus der Feder von Heinrich Vierordt.

Hinter meines Ohmes Haus
Lag ein lust'ger Wiesengarten;
Von dem Dach des Giebelbaus
Drachenköpfe niederstarrten.

Schwellend junger Knospen Kraft
Sah man sich im Wind bewegen,
Wenn gelöst des Schlummers Haft
Warmer Frühlingssonnenregen.

Oben an des Firstes Zier
Wirkten an dem Bau des Nestes
Schwalben; unten jauchzten wir
Zu der Zeit des Osterfestes.

Denn wo hausfrausorgenvoll
Sonst die Muhme bleicht' ihr Linnen,
Fröhlich Knabenspiel erscholl
In der blüh'nden Wildnis drinnen.

Neckend viel und viel geneckt,
In den Sträuchern, auf dem Rasen
Suchten wir, was drin versteckt:
Zuckereier, Osterhasen. -

Jahre gingen in das Land,
Als mich nach dem Platz begehrte,
Wo des tobten Ohmes Hand
Einstens uns die Lust bescherte.

Vieles ward hinweggerafft
Von des Zeitenmeeres Woge;
Sieh, da ragte märchenhaft
Der Hebräer Synagoge!

Mit dem letzten Abendschein
Bin ich durch das Thor getreten,
Einen bärtigen Greis allein
Hört' ich laut und klagend beten.

Wundersam ergriff es mich:
Wo gesucht ich Ostereier,
Hielt der Alte feierlich
Einsam seine Sabbathfeier.

Wo als Knaben lachend wir
Sprangen nach dem süßen Lamme,
Ganz zerknirscht in Andacht hier
Lag der Mann von Judas Stamme.

Wie ein biblisches Gesicht
Mutete mich an sein Treiben;
Goldig floß das Abendlicht
Durch die bunten Fensterscheiben.

Draußen eine Schwalbe nur
Hört' ich wie vor Zeiten singen —
Blitzt der Jugendträume Spur
Auf den Spitzen ihrer Schwingen?

Heinrich Vierordt

Weitere bekannte Christliche Gedichte namhafter Dichter, die sich der Lyrik verschrieben haben: