GedichtGedichte

Das Gedicht „Wanderlied“ stammt aus der Feder von Joseph Victor Scheffel.

Wohlauf, die Luft geht frisch und rein.
Wer lange sitzt, muss rosten;
Den allersonnigsten Sonnenschein
Lässt uns der Himmel kosten.
Jetzt reicht mir Stab und Ordenskleid
Der fahrenden Scholaren,
Ich will zu guter Sommerzeit
Ins Land der Franken fahren!

Der Wald steht grün, die Jagd geht gut,
Schwer ist das Korn geraten;
Sie können auf des Maines Flut
Die Schiffe kaum verladen.
Bald hebt sich auch das Herbsten an,
Die Kelter harrt des Weines;
Der Winzer Schutzherr Kilian
Beschert uns etwas Feines.

Wallfahrer ziehen durch das Tal
Mit fliegenden Standarten,
Hell grüßt ihr doppelter Choral
Den weiten Gottesgarten.
Wie gerne wär' ich mitgewallt,
Ihr Pfarr' wollt mich nicht haben!
So muß ich seitwärts durch den Wald
Als räudig Schäflein traben.

Zum heiligen Veit von Staffelstein
Komm ich emporgestiegen
Und seh' die Lande um den Main
Zu meinen Füßen liegen:
Von Bamberg bis zum Grabfeldgau
Umrahmen Berg und Hügel
Die breite, stromdurchglänzte Au -
Ich wollt', mir wüchsen Flügel!
Einsiedelmann ist nicht zuHaus,
Dieweil es Zeit zu mähen;
Ich seh' ihn an der Halde drauß
Bei einer Schnitterin stehen.
Verfahrner Schüler Stoßgebet
Heißt: Herr, gib uns zu trinken!
Doch wer bei schöner Schnitterin steht,
Dem mag man lange winken.

Einsiedel, das war mißgetan,
Daß du dich hubst von hinnen!
Es liegt, ich seh's dem Keller an,
Ein guter Jahrgang drinnen.
Hoiho! die Pforten brech' ich ein
Und trinke, was ich finde …
Du heiliger Veit von Staffelstein,
Verzeih mir Durst und Sünde!

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