GedichtGedichte

Das Gedicht „Das Füllen“ stammt aus der Feder von Christian Fürchtegott Gellert.

Ein Füllen, das die schwere Bürde
Des stolzen Reiters nie gefühlt,
Den blanken Zaum für eine Würde
Der zugerittnen Pferde hielt;
Dies Füllen lief nach allen Pferden,
Worauf es einen Mann erblickt,
Und wünschte, bald ein Ross zu werden,
Das Sattel, Zaum und Reiter schmückt.

Wie selten kennt die Ehrbegierde
Das Glück, das sie zu wünschen pflegt!
Das Reitzeug, die gewünschte Zierde,
Wird diesem Füllen aufgelegt.
Man führt es streichelnd hin und wieder,
Dass es den Zwang gewohnen soll;
Stolz geht das Füllen auf und nieder,
Und stolz gefällt sich's selber wohl.

Es kam mit prächtigen Gebärden
Zurück in den verlassnen Stand
Und machte wiehernd allen Pferden
Sein neu erhaltnes Glück bekannt.
»Ach!« sprach es zu dem nächsten Gaule,
»Mich lobten alle, die mich sahn;
Ein roter Zaum lief aus dem Maule
Die schwarzen Mähnen stolz hinan.«

Allein wie ging's am andern Tage?
Das Füllen kam betrübt zurück,
Und schwitzend sprach es: »Welche Plage
Ist nicht mein eingebildet Glück!
Zwar dient der Zaum, mich auszuputzen;
Doch darum ward er nicht gemacht.
Er ist zu meines Reiters Nutzen
Und meiner Sklaverei erdacht.«

Was wünscht man sich bei jungen Tagen?
Ein Glück, das in die Augen fällt;
Das Glück, ein prächtig Amt zu tragen,
Das keiner doch zu spät erhält.
Man eilt vergnügt, es zu erreichen;
Und, seiner Freiheit ungetreu,
Eilt man nach stolzen Ehrenzeichen
Und desto tiefrer Sklaverei.

Doch der, der mich stets schmeichelnd preiset,
Mir Alles lobt und nichts verweiset,
Zu Fehlern gern die Hände beut
Und mir vergibt, eh' ich bereut:
Der ist mein Feind,
So freundlich er auch scheint.

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