GedichtGedichte

Das Gedicht „Vergib“ stammt aus der Feder von Gertrud Kolmar.

Ich bin der flimmernde Kristall,
Der deinem Blute sich erschlossen,
Und unerschöpflich wie das All
Hat deine Kraft sich ihm ergossen.
Und unergründlich wie das Blau
Schien ganz mein Herz dich zu umfassen;
Ich ward die schamlos stolze Frau
Und fand mein Lob im Spott der Gassen.

Doch weh! Du hast nicht nur die Glut,
Du hast den Eishauch, der sie endigt,
Du bist die brausend laute Flut,
Die dumpfe Stille, die sie bändigt.
Du klangst in mir, ein Liebeslied;
O, mord' es nicht mit starrem Schweigen,
Mit düst'rem Blick, der tödlich sieht
Auf meinen lichten Träumereigen.

Vergib. Du mähst den Wiesenrain
Verächtlich mit den ehrnen Saaten;
Ich werd' ein flüchtig Randbild sein
Im ew'gen Buche deiner Taten,
Ich flatt're, zarter, bunter Fink,
Um eines Adlers Schwingenbreiten
Noch jauchzend, wenn ich sterbend sink'
Und seine Flüge sonnwärts gleiten!

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