GedichtGedichte

Eine Liste lustiger Gedichte - sowohl lang als auch kurz; moderne und auch Klassiker. Wann immer im Leben ein bisschen Humor (oder Ironie) gebraucht wird, können die Verse renommierter Dichter eine Inspiration sein.

Anmerkung: es gibt nur sehr wenige wirklich witzige Gedichte — die meisten sind eher zum Schmunzeln. Und dann haben wir noch die sehr gelungene Rubrik mit den Kindergedichten.


Sokrates Zugeeignet

Es ist schon so: Die Fragen sind es,
aus denen das, was bleibt, entsteht.
Denkt an die Frage jenes Kindes:
„Was tut der Wind, wenn er nicht weht?“

Schiller’s Glocke

Loch in Erde,
Bronze drin,
Glocke fertig,
bim, bim, bim.

Parodie auf Die Glocke von Friedrich Schiller; Autor: Unbekannt

Weil's so schön war

Paulus schrieb an die Apachen:
Ihr sollt nicht nach der Predigt klatschen.

Paulus schrieb an die Komantschen:
Erst kommt die Taufe, dann das Plantschen.

Paulus schrieb an die Navajo:
Oblaten isst man nicht mit Majo!

Paulus schrieb den Irokesen:
Euch schreib ich nichts, lernt erst mal lesen!

Hommage an Robert Gernhardt (1937 - 2006): Gernhardt war ein deutscher Schriftsteller, Dichter, Zeichner und Maler, der vor allem durch seine Satiren und seine komischen Gedichte und Zeichnungen in der Tradition Wilhelm Buschs bekannt wurde. Er war Redakteur der Satirezeitschrift „Pardon“. 1979 gründete er gemeinsam mit Kollegen u.a. die „Neue Frankfurter Schule“, deren Publikationsorgan das legendäre Satiremagazin „Titanic“ wurde.


Wilhelm Busch


Die Wirkung von Buschs Gedichten wird durch seine unverblümten Verse mit Hohn, Spott, ironischen Wendungen, Übertreibungen, Zweideutigkeiten und verblüffenden Reimen verstärkt. Seine Sprache hat die humoristische Lyrik von Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern beeinflusst.

Der Humor Wilhelm Buschs ist schwer zu beschreiben und geht oft bis ins Karikaturistische, Groteske und selbst bis ins Makabre. Busch äußert sich nicht nur in den Versen zu den Bildern seiner Bildgeschichten, sondern auch in seinen Gedichten und in den unbebilderten Einleitungstexten seiner Bildgeschichten.
Die Hauptwirkung beruht anscheinend auf einer Kombination von Bekanntem, „leider nur allzu Wahrem“ etc. mit Unerwartetem, Überraschendem und einer gewissen Ironie (auch Selbstironie) und Grausamkeit.

Wilhelm Busch war sein Leben lang unverheiratet und als Anhänger des Schopenhauerschen „Pessimismus“ ein Kenner der Philosophie, die er jedoch ins Volkstümlich-Humorvolle wendete. In der Einleitung zu Abenteuer eines Junggesellen (Band 1 der "Knopp-Trilogie") schreibt er:

Sokrates, der alte Greis,
sprach sehr oft in großen Sorgen:
„Ach wie viel ist doch verborgen,
was man immer noch nicht weiß.“
Und so ist es. – Doch indessen
darf man eines nicht vergessen:
Eines weiß man doch hienieden,
nämlich, wenn man unzufrieden.


Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders als man glaubt.

Aus der Bildergeschichte "Plisch und Plum" (1882) mit den gleichnamigen jungen & frechen Hunden.

Joachim Ringelnatz

Gebet eines Nashorns

Lieber Gott, Du bist der Boss.
Amen, Dein Rhinozeros



Wir lachten, jeder auf seine Weise,
der eine laut, der andere leise.
[Volksgut]

Anmerkung: mit der Verbreitung des Internets wurde eine Variante des Spruch, Joachim Ringelnatz zugeordnet, von dem er aber nicht stammt (Kuckuckszitat).

Jeder spinnt auf seine Weise,
der eine laut, der andere leise.
[Autor Unbekannt]


Joachim Ringelnatz ist das Pseudonym des deutschen Schriftstellers und Malers Hans Bötticher der vor allem für humoristische Gedichte um die Kunstfigur des Seemanns "Kuttel Daddeldu" bekannt ist (heute, auch sprachlich, aus der Mode gekommen: siehe Die Weihnachtsfeier des Seemanns Kuttel Daddeldu).
Daddeldu ist ein Seemanns-Wort für Feierabend und Nachtruhe, entlehnt aus dem Englischen: „That’ll do“ für „Nu’ is’ aber ma’ Schluss!“. Er widmete sich auch intensiv der Malerei, vor allem der in Aquarell- und Deckfarben.

Christian Morgenstern


Christian Morgenstern erlangte Bekanntheit durch seine komische Lyrik, die jedoch nur einen Teil seines Werkes ausmacht. Seine sogenannte ernste Dichtung fand nie die Resonanz, die er sich zu Lebzeiten erhofft hatte, und blieb auch später weitgehend unbeachtet. Besonders in seinen Galgenliedern entfaltet Morgenstern seinen liebenswürdigen, scharfsinnigen Sprachwitz, dessen Sinnentschlüsselung oft eines zweiten und dritten Blicks bedarf.

Sein Nasobêm inspirierte den Zoologen Gerolf Steiner zur Schöpfung der (fiktiven) Ordnung der Rhinogradentia, ein wissenschaftlich-satirischer Scherz, der sich international verbreitete und später seine bekannteste Nachahmung in Loriots "Steinlaus" fand.

Morgensterns Lyrik ist zu einem großen Teil vom englischen literarischem "Nonsens" inspiriert. Wobei diese Gedichte für Erwachsene geschrieben sind. Er machte sich über die Scholastik lustig, z.B. über die Literaturkritik in "Drei Hasen", die Grammatik in "Der Werwolf", die Engstirnigkeit in "Der Gaul" und den Symbolismus in "Der Wasseresel". In "Scholastikerprobleme" erörterte er, wie viele Engel auf einer Nadel sitzen könnten.


Gerichtsgedicht (Auszug)

Ankläger:
Hohes Gewicht, liebe Geschwollenen, Angenagter
Angeklagter, ihnen wird zur Last gelegt
Sie hätten an dem Mast gesägt!

Angeklagter:
Ich hab nicht an dem Mast gesägt
Ich hab nur mit dem Ast gefegt
Da hab ich mich mit Hast bewegt
Und das hat wohl den Gast erregt
Und der hat dann den Mast zerlegt!

Quelle: Der "Blödelbarde" Otto Waalkes; Track 15 auf "Ottocolor" (1978)


Heute
ziehe ich mal mein
selbstgestricktes
Zwangsjäckchen aus
setze mich
mitten auf die Straße
und lache
mir ins Fäustchen

Unbekannt


Hat ein Gott mit leichtem Pinsel
Lächelnd, wie von ungefähr,
Einen Punkt getupft: die Insel.

Der Schriftsteller James Krüss (1926 - 1997) über die Insel Helgoland, auf der er geboren wurde. Er zog es dann aber vor, auf Gran Canaria zu sterben. Sein bekanntestes Werk ist der Roman "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" (1962).


Alles in der Welt lässt sich ertragen,
nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.

Goethe


Durch Schaden wird man klug,
Sagen die klugen Leute.
Schaden litt ich genug,
Doch bin ich ein Tor noch heute.

Friedrich Rückert


Vampirgedicht

Blut
ist gut.

Licht
nicht.
[Autor unbekannt]

Der Dichter an seine Kunstrichterin

Zürne nicht auf mein fröhliches Lied, weil die Wange dir brennet!
Nicht was ich las – was du denkst, hat sie mit Purpur gefärbt.

Friedrich Schiller

Das Dings

Mitten in Ägyptens Wüste
steht ein riesengroßes Dings,
hinten Löwe, vorne Dame,
jeder weiß: das ist die Sphinx.

Sehnsuchtsvoll in Richtung Westen
schaut sie steinernen Gesichts.
würde sie nach Osten gucken,
wärs egal: auch da ist nichts…

Heinz Erhardt (1909 - 1979) war ein deutscher Schauspieler (Film, Theater und Fernsehen). Er gilt neben Loriot und Rudi Carrell als einer der besten deutschen Komödianten. Durch seinen "tolpatschigen" Stil und seine Doppeldeutigkeit wurde er vom Publikum geliebt.

Westwind

War einmal einer,
den liebte keiner.

Schrieb er auf ein Blatt Papier:
»Bin einsam! Wer ist nett zu mir?«

Faltete einen Flieger daraus,
warf ihn zum Fenster hinaus.

Westwind trug ihn zum Wald,
fand ihn ein Häschen bald.

Wär zur Liebe bereit gewesen,
konnt aber leider nicht lesen.

Christine Nöstlinger (1936 - 2018) war eine österreichische Schriftstellerin, die vor allem durch ihre Kinderbücher bekannt wurde.
Sie erhielt 2003, zusammen mit dem US-Amerikaner Maurice Sendak (1928 - 2012), den "Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis" (die weltweit höchstdotierte Auszeichnung für Kinder- und Jugendliteratur). Schon 1984 wurde ihr die "Hans-Christian-Andersen-Medaille" für ihren bleibenden Beitrag zur Kinderliteratur überreicht.

Mein Fall

Er stand am mächtigen Rheinfall
Da kam ihm gleich der Einfall:
O wäre doch der Rheinfall
Kein Wasser - sondern Weinfall!
Dann erst, dann wär er mein Fall!

Johann Diederich Gries (1775 - 1842) war ein deutscher Übersetzer in der romantischen Ära.

Unvermutete Antwort

Malthin, den Jüngling, fragt Macrin,
Den Rechtsgelehrsamkeit, Amt, Milz und Alter steift:
Wie nennst du einen Kerl, sprich, sprich, wie nennst du ihn,
Den man im Ehebruch ergreift?
Ich nenn' ihn langsam, spricht Malthin.

Friedrich von Hagedorn

Gedanken beim steifen Grog

Wo ein Grog ist - da ist auch ein Keller.
Wo eine Zeche - ist auch ein Preller.
Wo ein Tsching - da ist auch ein Bum.
Wo ein Kümmel - da ist auch ein Rum.

Wo ein Mat ist - ist auch ein rose.
Wo ein Wind - ist auch eine Hose.
Wo ein Luv ist - ist auch ein Lee.
Wo ein W - da ist auch ein C.

Wo eine Ana - ist auch die lyse.
Wo eine Kom ist - ist auch die büse.
Wo ein Kauta - da ist auch ein bak.
Wo ein Dudel - da ist auch ein Sack.

Wo ein Säbel - da ist auch die Scheide.
Wo ein Schorf ist - da ist auch die Heide.
Wo ein Labs ist - da ist auch ein kaus.
Wo eine Freude - da ist auch ein Haus.

Wo ein Stein ist - da ist auch ein häger.
Wo ein Schorn - ist auch ein steinfeger.
Wo ein Kampf ist - da ist auch ein Sieg.
Wo eine Jungfer - da ist auch ein Stieg.

Wo ein Amboss - da ist auch ein Hammer.
Wo eine Katze - ist auch ein Jammer.
Wo eine Hexe - da ist auch ein Schuss.
Wo ein Kurz ist - da ist auch ein Schluss.

Fred Endrikat (1890 - 1942) war ein deutscher Schriftsteller, Dichter und Kabarettist. Seine humoristischen Kabaretttexte und -lieder waren seinerzeit sehr erfolgreich.

Regen und Unmut

Böses Wetter, böses Wetter!
Es entladen sich die Götter,
Reinigen ihr Wolkenhaus,
Und die Menschen badens aus.

Franz Grillparzer

Epitaph als Epilog

Hier ruhen siebenundzwanzig Jungfrauen aus Stralsund,
Denen ward durch einen Interpreten des Dichters neueste Dichtung kund.
Die hat die empfindsamen Mädchenherzen so sehr begeistert,
Dass auch nicht eine mehr ihr Gefühl gemeistert.
Man hängte sich teils auf, teils ging man in die See.
Nur eine ging zum Dichter selbst. (Und zwar aufs Kanapee.)

Klabund

Die Ahnung

Ich trank meinen Morgenkaffee und ahnte nichts Böses.
Es klingelte. Ich ahnte noch immer nichts Böses.
Der Briefträger brachte mir ein Schreiben.
Nichts Böses ahnend, öffnete ich es.
Es stand nichts Böses darin.
Ha! rief ich aus. Meine Ahnung hat mich nicht betrogen.

Erich Mühsam


Externe Links zu dem sehr lustigen Gedicht Der Maler Pablo Picasso schreibt an seinen Kunsthändler und zu dem ebenso unterhaltsamen Essay Die Bluse von Hermann Harry Schmitz (es geht in der Geschichte um einen Neffen, der seine Tante ins Kaufhaus begleiten muss).

 

Scherzgedicht

Dunkel war's, der Mond schien helle,
Schneebedeckt die grüne Flur,
Als ein Auto blitzesschnelle
Langsam um die Ecke fuhr.

Drinnen saßen stehend Leute
Schweigend ins Gespräch vertieft,
Als ein totgeschossner Hase
Auf der Sandbank Schlittschuh lief.

Und der Wagen fuhr im Trabe
Rückwärts einen Berg hinauf.
Droben zog ein alter Rabe
Grade eine Turmuhr auf.

Ringsumher herrscht tiefes Schweigen
Und mit fürchterlichem Krach
Spielen in des Grases Zweigen
Zwei Kamele lautlos Schach.

Und auf einer roten Bank,
Die blau angestrichen war
Saß ein blondgelockter Jüngling
Mit kohlrabenschwarzem Haar.

Neben ihm 'ne alte Schachtel,
Zählte kaum erst sechzehn Jahr,
Und sie aß ein Butterbrot,
Das mit Schmalz bestrichen war.

Oben auf dem Apfelbaume,
Der sehr süße Birnen trug,
Hing des Frühlings letzte Pflaume
Und an Nüssen noch genug.

Von der regennassen Straße
Wirbelte der Staub empor.
Und ein Junge bei der Hitze
Mächtig an den Ohren fror.

Beide Hände in den Taschen
Hielt er sich die Augen zu.
Denn er konnte nicht ertragen,
Wie nach Veilchen roch die Kuh.

Und zwei Fische liefen munter
Durch das blaue Kornfeld hin.
Endlich ging die Sonne unter
Und der graue Tag erschien.

Dies Gedicht schrieb Wolfgang Goethe
Abends in der Morgenröte,
Als er auf dem Nachttopf saß
Und seine Morgenzeitung las.

Quelle: Dunkel war's, der Mond schien helle


Eine Sammlung weiterer Dichter, die hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, lustige Gedichte geschrieben haben.