GedichtGedichte

Das Gedicht „Es waren zwei Königskinder“ stammt aus der Feder von Unbekannt.

Es waren zwei Königskinder,
die hatten einander so lieb,
sie konnten zusammen nicht kommen,
das Wasser war viel zu tief.

»Ach, Liebster, könntest du schwimmen,
so schwimm doch herüber zu mir;
zwei Kerzen will ich anzünden,
die sollen leuchten zu dir.«

Das hört eine falsche Nonne,
die tat, als ob sie schlief.
Sie tat die Kerzen auslöschen,
der Jüngling ertrank so tief.

Und als der Jüngling zu Grunde ging,
so schrie sie und weinte sehr;
sie ging mit verweinten Augen
wohl vor der Mutter Tür.

»Ach Mutter, herzliebste Mutter,
der Kopf tut mir so weh;
ich möcht so gern spazieren
an den tiefen, tiefen See.«

»Ach Tochter, liebe Tochter
allein darfst du nicht gehen.
Nimm deinen jüngsten Bruder
und der soll mit dir gehen.«

»Ach Mutter, liebe Mutter,
mein Bruder ist ja noch ein Kind.
Der schießt ja alle Vögel,
die auf der Heide sind.«

»Ach Tochter, liebe Tochter
allein darfst du nicht gehen.
Nimm deine jüngste Schwester
und die soll mit dir gehen.«

»Ach Mutter, liebe Mutter,
meine Schwester ist ja noch ein Kind.
Sie pflückt ja alle Blumen,
die auf der Heide sind.«

Die Mutter ging nach der Kirche,
die Tochter ging ihren Gang.
Sie ging so lang spazieren,
bis sie den Fischer fand.

»Ach Fischer, liebster Fischer,
willst du verdienen großen Lohn?
So wirf dein Netz ins Wasser,
und fisch mir den Königssohn!«

Er senkte sein Netz ins Wasser
und nahm sie in den Kahn.
Er fischte und fischte so lange,
bis sie den Königssohn sahn.

Was nahm sie von ihrem Haupte?
Eine goldene Königskron.
Sieh da, du edler Fischer,
das ist dein verdienter Lohn.

Was nahm sie von ihrem Finger?
Ein Ringlein von Gold so rot.
Sieh da, du armer Fischer,
kauf deinen Kindern Brot.

Sie schloss ihn in ihre Arme
und küsst‘ seinen bleichen Mund:
»Ach, Mündlein, könntest du sprechen,
so würde mein Herz gesund.«

Sie schwang um sich ihren Mantel
Und sprang mit ihm ins Meer:
»Gut‘ Nacht, mein Vater und Mutter,
ihr seht mich nimmermehr!«

Da hörte man Glockengeläute,
da hörte man Jammer und Not,
da lagen zwei Königskinder,
die sind alle beide tot.

Autor: Unbekannt

II. Edelkönigs-Kinder

Es waren zwei Edelkönigs-Kinder,
Die beiden die hatten sich lieb,
Beisammen konnten sie dir nit kommen,
Das Wasser war viel zu tief.

Ach Liebchen könntest du schwimmen,
So schwimme doch her zu mir,
Drei Kerzlein wollt ich dir anstecken,
Die solten auch leuchten dir.

Da saß ein loses Nönnechen,
Das tat, als wenn es schlief,
Es tat die Kerzlein ausblasen,
Der Jüngling vertrank so tief.

Ach Mutter herzliebste Mutter,
Wie tut mir mein Häuptchen so weh,
Könnt ich ein kleine Weile
Spazieren gehn längst der See.

Ach Tochter herzliebste Tochter,
Allein sollst du da nit gehn,
Weck auf deine jüngste Schwester,
Und laß sie mit dir gehn.

Ach Mutter herzliebste Mutter,
Mein Schwester ist noch ein Kind,
Sie pflückt ja all die Blumen,
Die in dem grünen Wald sind.

Ach Mutter herzliebste Mutter,
Wie tut mir mein Häuptchen so weh,
Könnt ich eine kleine Weile
Spazieren gehn längst der See.

Ach Tochter, herzliebste Tochter,
Alleine sollst du da nit gehn,
Weck auf deinen jüngsten Bruder,
Und lass ihn mit dir gehn.

Ach Mutter, herzliebste Mutter,
Mein Bruder ist noch ein Kind,
Er fängt ja alle die Hasen,
Die in dem grünen Wald sind.

Die Mutter und die ging schlafen,
Die Tochter ging ihren Gang,
Sie ging so lange spazieren,
Bis sie ein Fischer fand.

Den Fischer sah sie fischen,
Fisch mir ein verdientes rot Gold,
Fisch mir doch einen Toten,
Er ist ein Edelkönigs-Kind.

Der Fischer fischte so lange,
Bis er den Toten fand,
Er griff ihn bei den Haaren,
Und schleift ihn an das Land.

Sie nahm ihn in ihre Arme,
Und küsst ihm seinen Mund:
Ade mein Vater und Mutter,
Wir sehn uns nimmermehr.

Autor: Achim von Arnim (Mitgetheilt von H. Schlosser).

Anmerkung: Die deutsche Volksballade enthält Elemente des griechischen, antiken Erzählstoffs, der sogenannten „Schwimmersage“, die am Hellespont, bzw. an den Dardanellen zu verorten ist. Mit dem Römer Ovid und dem spätgriechischen Dichter Musaios wurde sie als Dichtung von Hero und Leander überliefert und danach international verbreitet.

 

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