GedichtGedichte

Das Gedicht „Liebesreime“ stammt aus der Feder von Ricarda Huch.

Wie liebten wir so treu in jenen Tagen,
Fest wie die Sonne stand das Herz uns da.
Getrennt, wie hatten wir uns viel zu sagen,
Und sagten stets nur eines: Liebst du? Ja!
O Liebe, kannst du wie ein Traum der Nächte
Vorübergehn, die du unendlich scheinst?
Mir ist, als ob er fernher mein gedächte
Und fragte: Liebst du mich? Sag ja wie einst!


In jener Zeit, da ich dich nicht mehr nannte,
Schuf ich ein Weihgefäss aus edler Erde
Und barg darin, die einst an dir entbrannte,
Die Flamme, dass sie rein gehütet werde.
Von der empfangnen Brunst errötend bebte
Das Weihgefäß, doch sprang es nicht entzwei.
Kein Funken meiner Liebesglut entschwebte!
Nun nimm es du, daß es dir heilig sei.


Meinen Liebsten zu behüten,
Bitt' ich dich, o Herr der Welt,
Der du aller Stürme Wüten
Ein gewisses Ziel gestellt.
Einen Engel wolle senden,
Daß er immer ihn umschwebe
Und mit seinen Himmelshänden
Über jeden Abgrund hebe.

VI

Ich hatte dir so viel zu berichten,
Neuigkeiten, allerhand Geschichten;
Aber nun bist du auf einmal so nah
Mit diesem Kinn und diesen Wangen,
Alle Gedanken sind mir vergangen -
Ach Gott, und dein Hals, der weiche, runde,
Nur eine Spanne von meinem Munde,
Den ich so lange, die Lippen zerbeißend, von weitem sah.

IX

Der Teufel soll die Sehnsucht holen!
Ich lieg in einem Bett von Nesseln,
Auf einem Rost von glühnden Kohlen,
In einem Netz von ehrnen Fesseln!
Das Auge sehnt sich aus der Höhle,
Der Busen sehnt sich aus dem Mieder;
Ich wollt, es sehnte auch die Seele
Sich aus dem Leib und käm nicht wieder!

XIII

Als jüngst mein Liebling kam des Wegs daher,
Sah ich die Häuser sich vor ihm verneigen;
Das Pflaster unter ihm, so dick und schwer,
Schien wunderbar zu schwellen und zu steigen.
Du liebes, schönes, blasses Angesicht,
Zeig du dich ferner auf der Straße nicht,
Am Morgen nicht und nicht beim Abendscheine,
Denn es verlieben sich in dich die Steine.

XXXII

Lass mich dein teures Haupt, o meine Liebe,
Mit diesem Kranz von goldnen Trauben krönen.
Was sollen uns die zarten Frühlingstriebe,
Das flücht’ge Bild vom Untergang des Schönen?
Die Blätter wehn, der Tod durchsaust die Bäume,
Indes die Frucht am Aste reift und schwillt.
Gedenkst du unsrer ersten Liebesträume?
Sie sind dahin - ihr Hoffen ist erfüllt!

XXXIII

Mit meinem Liebchen Hand in Hand
Durchwandr ich Tal und Berg und Land,
Voll Ruhe, nicht zu sagen.
O wäre in der ganzen Welt
Nur für ein Stündlein eingestellt
Das Morden und das Jagen,
Daß wir nicht müssten ganz allein
So friedenvoll und wunschlos sein.

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