Das Gedicht „Mailied“ (auch: Maifest) stammt aus der Feder von Johann Wolfgang von Goethe.
Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch
Und Freud' und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd', o Sonne!
O Glück, o Lust!
O Lieb', o Liebe!
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb' ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,
Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud' und Mut
Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!
Anmerkung: Das Mailied (in frühen Drucken auch Mayfest) wurde erstmals 1775 in der Zeitschrift Iris veröffentlicht.
Meist wird ein Entstehungszeitraum im Kontext mit den „Sesenheimer Liedern“ (siehe Willkommen und Abschied) angenommen. Unter dieser Prämisse gilt es als eines der ersten bedeutsamen Gedichte von Goethes und innerhalb der Epoche „Sturm und Drang“ als stilbildend für die weitere Entwicklung der Lyrik.
Das Gedicht ist in 9 Strophen zu je 4 Versen gegliedert und in das Genre der Natur- und Liebeslyrik einzuordnen. In den ersten Strophen wird die Liebe zur Natur bildreich beschrieben. In Strophe 6 wird deutlich, dass es sich auch um die Liebe zu einer Frau handelt.
Das Mailied ist vielfach vertont worden, so von Ludwig van Beethoven (Op. 52, Nr. 4) und Hans Pfitzner (Op. 26 Nr. 5).
Es existiert ein weiteres, wenig bekanntes Gedicht mit dem Titel "Mailied" von Goethe:
Zwischen Weizen und Korn,
Zwischen Hecken und Dorn,
Zwischen Bäumen und Gras,
Wo gehts Liebchen?
Sag mir das!
Fand mein Holdchen
Nicht daheim;
Muß das Goldchen
Draußen sein.
Grünt und blühet
Schön der Mai,
Liebchen ziehet
Froh und frei.
An dem Felsen beim Fluß,
Wo sie reichte den Kuß,
Jenen ersten im Gras,
Seh ich etwas!
Ist sie das?
Weitere gute Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe.
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