GedichtGedichte

Das Gedicht „Morgen, morgen, nur nicht heute!“ (Der Aufschub) stammt aus der Feder von Christian Felix Weiße.

Morgen, morgen, nur nicht heute!
Sprechen immer träge Leute,
Morgen! Heute will ich ruhn:
morgen jene Lehre fassen,
morgen diesen Fehler lassen,
morgen dies und jenes tun!

Und warum nicht heute? Morgen
kannst du für was anders sorgen!
Jeder Tag hat seine Pflicht.
Was geschehn ist, ist geschehen:
dies nur kann ich übersehen;
was geschehn kann, weiß ich nicht.

Wer nicht fortgeht, geht zurück;
unsre schnellen Augenblicke
gehn vor sich, nie hinter sich.
Das ist mein, was ich besitze,
diese Stunde, die ich nütze;
die ich hoff‘. Ist die für mich?

Jeder Tag, ist er vergebens,
ist im Buche meines Lebens
nichts, ein unbeschriebnes Blatt!
Wohl denn! Morgen, so wie heute,
steh‘ darin auf jeder Seite
Von mir eine gute Tat.

Anmerkung: Weiße (1726 - 1804) war die „Zentralfigur“ der Aufklärung in Leipzig. Neben seiner anakreontischer Lyrik (die unter anderen Wolfgang Amadeus Mozart vertonte) und seinen Dramen hatte Weiße sehr großen Erfolg mit seiner Zeitschrift "Der Kinderfreund", die von 1775 bis 1782 in 24 Bänden erschien und als erste Kinderzeitschrift Deutschlands gilt. Diese Zeitschrift wurde ab 1784 unter dem Titel „Briefwechsel der Familie des Kinderfreundes“ in 12 Bänden fortgesetzt. Seine Kindergedichte wurden u. a. von Johann Adolf Scheibe und Johann Adam Hiller vertont.

Zu einem geflügelten Wort wurden die Anfangszeilen des Gedichts „Der Aufschub“:
„Morgen, morgen, nur nicht heute!
Sprechen immer träge Leute“.

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