GedichtGedichte

Das Gedicht „Zur Beruhigung“ stammt aus der Feder von Heinrich Heine.

Wir schlafen ganz, wie Brutus schlief -
Doch jener erwachte und bohrte tief
In Cäsars Brust das kalte Messer!
Die Römer waren Tyrannen-Fresser.

Wir sind keine Römer, wir rauchen Tabak.
Ein jedes Volk hat seinen Geschmack,
Ein jedes Volk hat seine Größe;
In Schwaben kocht man die besten Klöße.

Wir sind Germanen, gemütlich und brav,
Wir schlafen gesunden Pflanzenschlaf,
Und wenn wir erwachen, pflegt uns zu dürsten,
Doch nicht nach dem Blute unserer Fürsten.

Wir sind so treu wie Eichenholz,
Auch Lindenholz, drauf sind wir stolz;
Im Land der Eichen und der Linden
Wird niemals sich ein Brutus finden.

Und wenn auch ein Brutus unter uns wär,
Den Cäsar fänd er nimmermehr,
Vergeblich würd er den Cäsar suchen;
Wir haben gute Pfefferkuchen.

Wir haben sechsunddreißig Herrn
(Ist nicht zuviel!), und einen Stern
Trägt jeder schützend auf seinem Herzen,
Und er braucht nicht zu fürchten die Iden des Märzen.

Wir nennen sie Väter, und Vaterland
Benennen wir dasjenige Land,
Das erb-eigentümlich gehört den Fürsten;
Wir lieben auch Sauerkraut mit Würsten.

Wenn unser Vater spazieren geht,
Ziehn wir den Hut mit Pietät;
Deutschland, die fromme Kinderstube,
Ist keine römische Mördergrube.

Anmerkung: Das Gedicht „Zur Beruhigung“ wurde im Jahr 1844 veröffentlicht. Es beschäftigt sich mit den politischen Unruhen in Deutschland, vor allem mit der Einstellung zum Deutschen Bund und richtete sich an das deutsche Volk während dieser vorrevolutionären Phase.


Heine gilt vor allem als politisch kritischer Autor des Vormärz (Epoche von der Julirevolution 1830 bis zur Märzrevolution von 1848). Mit den Schriftstellern des "Jungen Deutschland", denen er zugerechnet wurde, verband ihn das Streben nach politischer Veränderung hin zu mehr Demokratie in ganz Europa, speziell in Deutschland.
Dass er sich die Verwirklichung der Demokratie auch in einer konstitutionellen Monarchie wie der des Bürgerkönigs Louis-Philippe vorstellen konnte, brachte ihm Kritik von Seiten überzeugter Republikaner ein. Heines Distanzierung von der „Tendenzliteratur“, die er mit „gereimten Zeitungsartikeln“ verglich, erfolgte hingegen weniger aus politischen als aus ästhetischen Motiven. Persönlich stand er Karl Marx und Friedrich Engels nahe, ohne deren politische Philosophie völlig zu teilen.

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