GedichtGedichte

Das Gedicht „Herzeliebez frowelîn“ (übersetzt:Herzliebes Fräulein) stammt aus der Feder von Walther von der Vogelweide.

Herzeliebez frowelîn,
got gebe dir hiute und iemer guot!
kund ich baz gedenken dîn,
des hete ich williclîchen muot.
waz mac ich dir sagen mê,
wan daz dir nieman holder ist? dâ von ist mir vil wê.

Sie verwîzent mir daz ich
ze nidere wende mînen sanc.
Daz si niht versinnent sich
waz liebe sî, des haben undanc!
sie getraf diu liebe nie,
die nâch dem guote und nâch der schœne minnent; wê wie minnent die?

Bî der schœne ist dicke haz:
zer schÅ“ne niemen sî ze gâch.
liebe tuot dem herzen baz:
der liebe gêt diu schœne nâch.
liebe machet schœne wîp:
des mac diu schœne niht getuon, sin machet niemer lieben lîp.

Ich vertrage als ich vertruoc
und als ich iemer wil vertragen.
dû bist schœne und hâst genuoc:
waz mugen si mir dâ von gesagen?
swaz si sagen, ich bin dir holt,
und nim dîn glesîn vingerlîn für einer küneginne golt.

Hâst dû triuwe und stætekeit,
sô bin ich des ân angest gar
daz mir iemer herzeleit
mit dînem willen widervar.
hâst aber dû der zweier niht,
sô müezest dû mîn niemer werden. owê danne, ob daz geschiht!

Hochdeutsche Version

Allerliebstes Fräulein,
Gott schenke dir heute und für immer
Heil!
Wenn ich deiner besser gedenken könnte,
so würde ich dies mit großem Eifer tun.
Was kann ich nun aber weiter sagen,
als dass niemand dir mehr zugeneigt ist?
Oh weh, dabei wird mir sehr bange!

Sie werfen mir vor, dass ich
meinen Gesang an eine zu geringe Adresse richte.
Weil sie nicht begreifen,
was Liebe bedeutet, dafür seien sie getadelt!
Die sind nie von der Liebe getroffen
worden,
die um den Besitz und die Schönheit
willen werben, wehe, wie werben diese?

Die Schönheit geht eng zusammen mit
großem Neid,
niemand sollte es zur Schönheit hin zu
eilig haben.
Die Liebe ist für das Herz besser,
die Schönheit rangiert erst hinter der
Liebe.
Die Liebe bewirkt erst, daß die Frauen
schön werden,
das vermag die Schönheit alleine nicht,
sie macht das Lieben niemals angenehm.

Ich ertrage es, wie ich es immer ertragen habe
und es auch immer ertragen will.
Du bist schön und besitzt ausreichend
viel,
was können sie mir darüber schon erzählen?
Was auch immer sie sagen mögen, ich
bin dir zugeneigt
und nehme dein gläsernes Ringlein, als
wäre es das Gold einer Königin.

Bist du treu und beständig,
so muss ich mir um dich keine Sorgen
machen,
dass du mir etwa jemals Leid
absichtlich zufügen könntest.
Besitzt du jedoch diese beiden Eigenschaften nicht,
so dürftest du niemals mein werden, Oh
weh, möge dies nur nicht geschehen!

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