GedichtGedichte

Das Gedicht „Abend“ stammt aus der Feder von Rainer Maria Rilke.

Der Abend wechselt langsam die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt;

und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt -

und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend,
so daß es, bald begrenzt und bald begreifend,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

Quelle: Aus der Sammlung Des ersten Buches zweiter Teil, 1904


Einsam hinterm letzten Haus
geht die rote Sonne schlafen,
und in ernste Schlußoktaven
klingt des Tages Jubel aus.

Lose Lichter haschen spät
noch sich auf den Dächerkanten,
wenn die Nacht schon Diamanten
in die blauen Fernen sät.

Quelle: Aus der Sammlung Larenopfer, 1895


Der Abend naht. - Die klare Zone
der Stirne schmückt ein goldner Reifen,
und tausend Schattenhände greifen
verstohlen nach der roten Krone.

Die ersten, blassen Sterne liebeln
ihm zu; er steht hoch am Hradschine
und schaut mit ernster Träumermiene
die Türme und die grauen Giebeln.

Quelle: Aus der Sammlung Larenopfer, 1895

Weitere gute Gedichte des Autors Rainer Maria Rilke.

 

Bekannte Gedichte zum Thema "Abend":